Ende einer Ära?

Nach der Räumung eines Teils der Rigaer Straße möchte „Bild“ das Kapitel besetzte Häuser abschließen

Für Bild geht eine Ära zu Ende. „Berlin, 6.04 Uhr. Das letzte besetzte Haus wird geräumt“, titelt sie. Mit der Stürmung der Rigaer Straße 94 durch ein Sondereinsatzkommando der Polizei ende „die lange Geschichte der Berliner Hausbesetzerszene endgültig“, so Bild gestern.

Abgesehen davon, dass nicht das ganze Haus, sondern nur das Erdgeschoss betroffen war, stimmt auch sonst nicht viel an dieser Darstellung. „Das ist äußerst schlecht recherchiert“, ärgert sich Rechtsanwalt Jörg Czech, der den Bewohnerverein vertritt. „Die Räume waren nicht besetzt, denn da sind ja Mieten gezahlt worden.“

Nicht das altbekannte Argument „Störung der öffentlichen Ordnung“, sondern angeblich ungültige Mietverträge waren Grund für die Räumung. Die Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain hatte das Haus 1998 an die Jewish Claims Conference rückübereignet, die es 1999 an den derzeitigen Besitzer Suitbert Beulker verkaufte. Beulker hatte den bestehenden Rahmenmietvertrag nicht anerkannt und zunächst vor dem Landgericht Lichtenberg Recht bekommen.

Doch Rechtsanwalt Czech widerspricht dieser Auffassung. „Kauf bricht Miete nicht. Der 1991 abgeschlossene Rahmenvertrag, der das Haus vor über zehn Jahren legalisierte, gilt auch für den neuen Besitzer. Wir klagen in dieser Sache gerade vor dem Kammergericht.“

Es gibt in Berlin auch andere Häuser mit ungeklärter Vertragssituation. Es gibt außerdem weiterhin das Phänomen „besetzter Häuser“. Wenn man sich heute die Häuser in der Marchstraße und am Einsteinufer anguckt, die zehn Jahre nach der Räumung noch immer leer stehen, dann ist selbst dieses Kapitel noch nicht beendet.

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