zwischen den rillen: Diskursfreie Zone: Queens Of The Stone Age
Spaß mit Sauce
Es ist ein Lieblingstraum vieler amerikanischer Rockmusiker: auf irgendeinem Highway herumbrausen, an den Reglern des Autoradios drehen und dann auf einem der unzähligen Kanäle einen der eigenen Songs hören. Das wäre doch was! Da hätten sich definitiv alle Mühen gelohnt: das Spielen in den Hinterzimmern, die miesen Jobs, das Betteln um einen Vertrag bei einer Indieklitsche, wenn es plötzlich hieße: „Welcome to K.L.O.N., Los Angeles, K.L.O.N.-Radio, we play the songs that sound more like everyone else. K.L.O.N. And here are Queens Of The Stone Age with ‚The Song For The Deaf‘ “.
Obwohl schon Ewigkeiten dabei und durch nichts zu erschüttern, haben auch Queens Of The Stone Age diesen Traum nicht aus ihrem Unterbewusstsein verdrängt; weil sie aber wissen, dass er sich angesichts der Großrockwetterlage in den USA nicht so bald erfüllen wird, haben sie aus diesem Traum ein Konzept gemacht und ihn zum integrativen Bestandteil ihres neuen Albums „Songs For The Deaf“ werden lassen. Die Songs von und für die Erstgeborenen und Toten, von und für die Drop-outs und Drogenfreaks und auch der über den Himmel, der uns allen bald auf den Kopf fällt: Sie alle werden auf einer Autofahrt von Los Angeles in die Wüste Arizonas erzählt, immer wieder unterbrochen von den Moderatoren der lokalen Radiostationen, die die Queens-Of-The-Stone-Age-Songs ansagen und dann ihre Witze reißen über den Scheiß, den sie sonst so spielen: New Rock, New Metal, Country & Western. Das aber ist alles nichts gegen den Stoner-Rock von Queens Of The Stone Age und dessen Ingredienzen: Drogen, Wüstensand, Bass, noch mehr Bass, Rockrock!
Nun sind natürlich auch Queens Of The Stone Age schon lange kein Schülerband mehr: Die Bandgründer Nick Oliveri und Josh Homme haben früher bei Kyuss die Blaupause für den heutigen Stoner-Rock geschaffen. Und sie scharen immer wieder prominente Gleichgesinnte um sich. So stieß für die Aufnahmen zu „Songs For The Deaf“ Dave Grohl zu ihnen, der als Ex-Nirvana-Drummer und Foo-Fighters-Vorturner eine große Nummer überall auf der Welt ist. Mit ihm schafften es Queens Of The Stone Age in die David-Letterman-Show und hierzulande auch in Bunte und Gala. Neben Grohl bewarb sich eine zweite Seattle-Grunge-Größe um feste Mitgliedschaft in der Band: Der alte Screaming-Trees-Recke und spätere Blues-Barde Mark Langean. Zeitweise gehören auch Dean Ween von Ween, Chris Gross von Masters Of Reality und Mitglieder der Dwarves zu der Band.
Im Gegensatz zu anderen Allstar-Rockbands aber, die vor lauter Starsein nicht mehr richtig laufen und musizieren können, haben es Queens Of The Stone Age geschafft, für ihr inzwischen drittes Album das beste aus dem Dreigestirn Kyuss-Nirvana-Screaming Trees zu einem hochenergetischen Sound einzuschmelzen: Steine, Melodien, Psychedelia, Metall, bis dass der Tod sie scheidet. Sie machen Rockmusik, die mit Gitarre, Bass und Schlagzeug unverrückbar feststeht und mitten im drogengeschwängerten Leben. Die so ist, wie sie ist, und nichts anderes sein will. Vorsicht, diskursfreie Zone! Diese beginnt mit dem trocken runtergekloppten Opener „You think I ain’t worth a dollar, but I feel like a millionaire“, verläuft sich in Helmet-artigen Stop-and-Gos wie „No One Knows“ und „The Sky Is Fallin’ “ und mündet dann in den neben allen Spuren orgelnden Gutfühlsommerhit „Another Love Song“ und dem großen Entspanner „Everybody’s Gonna Be Happy“: 1969 revisited. Nie waren Hippies cooler!
Ob es Oliveri, Homme und Co aber nun bewusst ist oder nicht, ob sie wollen oder nicht, mit „Songs For The Deaf“ zeigen sie allen New-Rock-Schlappis und New-Metal-Angebern, was wirklich stämmiger Rock ist: kein Therapievehikel, sondern reine Einstellungssache, keine Leidensgeschichte, sondern Leidenschaft, keine bierernste Angelegenheit, sondern Spaß mit Sauce, kein Gegreine, sondern Soul.
Dass bei so viel Souveränität und gekonntem Vorbeimusizieren an herrschenden Rocksounds auch noch Kleine-Jungs-Träume drin sind, macht die Band nur umso sympathischer. Da prangt zwar ein schwarzer Zweizack auf dem tiefroten Cover, was immer er bedeuten mag, da röhrt aber Mark Lanegan „God Is In The Radio“ und klingt dabei, als würde er wirklich an die Erfüllung seiner geheimsten Wünsche glauben. GERRIT BARTELS
Queens Of The Stone Age: „Songs For The Deaf“ (Motor/Universal)
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