Der Sommer des Chamäleons

Der taz-Sommerroman. Über den heißesten Fall des unglaublich gut organisierten Privatdetektivs John Player. Von Tim Ingold. Vierzehnter Teil

„Versuchen Sie, seriös zu klingen und kichern Sie nicht vor Schadenfreude“

Was bisher geschah (heute erzählt von John J. Rambo, Kriegsveteran): „Wissen Sie, Player ist ein Typ wie ich. Einer, der rumgeschubst wird und dem es irgendwann reicht. Als dieser Ilse ihr Chamäleon gestohlen wird, kann er nicht untätig rumsitzen. Jetzt hat er die Schuldigen ausgemacht und wird sie zur Hölle schicken. Nein, Player ist nicht Gott, denn Gott kennt Gnade. Ich würde ihm gerne mithelfen. Aber mein Krieg ist vorbei.“

Die Sache gestaltete sich komplizierter, als ich angenommen hatte. Durch die Fahrt zum Materiallager und das Durchwühlen der Kisten hatten wir schon etwa zehn Minuten der vermutlich dreißig Minuten währenden Mittagspause verbraucht.

Nun musste schnell und dennoch überlegt gehandelt werden. „Das Problem ist“, erklärte ich Ilse und Gudrun, nachdem wir einige umgebaute Chamäleons von ihren Rucksäcken befreit hatten, „dass die Sprengladungen nur in Verbindung mit dem Helm gezündet werden können.“

Ich deutete auf den Inhalt eines geöffneten Rucksacks, der auf meinen Knien lag. „Das ist Plastiksprengstoff. Der Impuls zur Auslösung der elektronischen Zündung kommt über Funk. Ohne die Verkabelung mit den Empfangsantennen der Helme sind die Rucksäcke wirkungslos. Nun haben wir zwei Optionen für den Big Bang. Option eins: Wir jagen alle bereits umgebauten Chamäleons in die Luft. Als Tierfreund muss ich diese Option jedoch ablehnen. Die zweite Möglichkeit besteht darin, sämtliche Chamäleons – ob umgebaut oder nicht – zu evakuieren und den Plastiksprengstoff aus den noch nicht verbauten Rucksäcken zu einem großen Klumpen zusammenzupappen. Die hier gelagerte Menge dürfte ausreichen, um einen Krater in den Mond zu sprengen, den man von der Erde aus sehen kann. Der Haken an der Sache ist, dass wir für das Zusammenklauben des Sprengstoffs verhältnismäßig viel Zeit bräuchten – aber immer noch weniger, als die Chamäleons von ihrer Ausrüstung zu befreien. Was meinen Sie?“

„Option zwei“, kam es synchron aus den Mündern der ökologisch sensibilisierten Frauen. „Okay“, sagte ich, „Option zwei also. Zunächst müssen wir aber den Abschaum aus seiner Höhle treiben. Jeder schnappt sich ein paar von den verkabelten Rucksäcken und eine Fernsteuerung. Jeder bekommt eine eigene Frequenz, damit wir uns nicht aus Versehen gegenseitig umbringen. Ich zehn, Ilse fünfzehn, Gudrun zwanzig Megahertz. Dann verteilen wir die Rucksäcke so in der Anlage, dass sie nicht besonders viel Schaden anrichten. Es ist jetzt ...“, ich zückte meine Armbanduhr, „12 Uhr 14. Die Mittagspause geht bis 12 Uhr 30. Um 12 Uhr 25 zünden wir synchron die Sprengladungen. Zu diesem Zeitpunkt müssen Sie, Ilse, bereits an der Sprechanlage sein. Die befindet sich in dem Turm neben den Matten, auf denen wir gelandet sind, ich habe sie gesehen, als wir von Dr. Frank abgeholt wurden. Da komme ich nicht hoch. Nachdem die Rucksäcke hochgegangen sind, halten sie eine kleine Ansprache zur sofortigen Evakuierung der gesamten Anlage. Versuchen Sie, seriös zu klingen und kichern Sie nicht vor Schadenfreude. Sobald die Ratten das sinkende Schiff verlassen haben, treffen wir uns hier wieder und bauen gemeinsam die große Bombe zusammen. Alles klar?“

Die Frauen nickten. „Gut. Uhrenvergleich ... stimmt. Los geht’s. Zeigen wir’s den Mistkerlen!“ Ich startete meinen Stapler, als Ilse mir ihre Hand auf den Arm legte. „John ...“ – „Ja, Ilse?“ – „Glauben Sie, dass Rama noch am Leben ist?“ – „Ich glaube fest daran, Ilse. Aber wir können es jetzt beim besten Willen nicht überprüfen.“ – „Ich weiß. Passen Sie gut auf sich auf, John.“ – „Und Sie passen gut auf sich auf, Ilse. Wir sehen uns hier in etwa zwanzig Minuten.“