Wieder Streit um Holocaust-Mahnmal

Das nationale Großprojekt ist wieder in Nöten wegen Protestes aus unerwarteter Ecke: Der Sozialverband VdK klagt beim Berliner Verwaltungsgericht gegen das Denkmal: Es berücksichtige nicht genug die Bedürfnisse von Behinderten

Die Stiftung „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ erhält Gegenwind von einer unerwarteten Seite. Der Sozialverband VdK klagt vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen das Mahnmal. Damit eskaliert ein Streit, der schon fast zwei Jahre schwelt.

Ein Bericht des Behindertenbeauftragten der Senatsverwaltung, Martin Marquard, hatte bereits im Jahr 2000 kritisiert, dass das starke Gefälle des Stelenfeldes Gehbehinderte und gebrechliche Menschen gefährde. Der aktuelle Entwurf des New Yorker Architekten Peter Eisenman sieht zwar 15 gekennzeichnete Passagen vor, auf denen Behinderte auch ohne Begleitung das Feld mit den 2.700 Betonstelen passieren können. Nach Ansicht von Marquard und dem VdK reichen diese Veränderungen jedoch nicht aus. Nachdem die Baugenehmigung erteilt worden ist, habe man deshalb die Klage eingereicht, so die Leiterin der VdK-Rechtsabteilung, Sibylle Schüler-Marvin. Ihrer Ansicht nach verstößt der Bescheid gegen das Baurecht.

Günter Schlusche von der Bau-Koordination des Mahnmals kann das nicht verstehen. Für ihn sind die Bedenken der Behindertenvertreter ein sehr bekanntes Thema. „Wir haben die Anregungen von Herrn Marquard aufgegriffen und eingearbeitet. Um die Zugänglichkeit des Mahnmals zu verbessern, haben wir das Gefälle des Feldes gesenkt und die Abstände zwischen den Stelen verbreitert.“

Martin Marquard von der Senatsverwaltung entgegnet: „Ich laufe seit zwei Jahren Sturm gegen die Planung. Eskaliert ist die Situation, weil keine wirklichen Änderungen gemacht wurden.“ Marquard hält den aktuellen Entwurf für eine groteske Diskriminierung. „Nach den Planungen Eisenmans hat das Denkmal keinen Ausgang und keine Mitte. Man soll sich alleine dort hineinbegeben. Im Inneren des Geländes stehen aber nur zehn Gänge für Behinderte zur Verfügung, der Rest ist für Behinderte ohne Hilfe nicht zugänglich.“

Das Berliner Gleichstellungsgesetz schreibt vor, dass bei öffentlichen Neubauten Behinderte grundsätzlich ohne fremde Hilfe Zugang haben müssen. Für das Holocaust- Mahnmal war eine Befreiung von der Genehmigungsbehörde erteilt worden. Diese Befreiung verstößt nach Ansicht der Behindertenvertreter gegen das Gleichstellungsgesetz. Für kommenden Dienstag lädt die Fürst-Donnermarck-Stiftung zu einer Podiumsdiskussion mit Lea Rosh, Günther Schlusche und Manfred Schasler aus der Planungsgruppe des Mahnmals sowie Marquard und Vertretern der Behindertenverbände in die Zehlendorfer Villa Donnersmarck. Dort wird sich zumindest eines zeigen: dass es Peter Eisenman mit seinem Entwurf bereits jetzt gelungen ist, irritierend in den öffentlichen Raum einzugreifen. TILL BELOW