Treibstoff aus Biomasse

Daimler und VW erforschen Sprit aus dem Wald. Autokonzerne entdecken plötzlich den Klimaschutz, und untersuchen „erneuerbare Kraftstoffe“. Das Umweltbundesamt hält allerdings nichts davon

„Die direkte Verbrennung von Biomasse ist stets der effizientere Weg“

Ganz neue Töne kommen plötzlich aus der Zentrale des Autofabrikanten DaimlerChrysler in Stuttgart-Möhringen: „Es ist unerheblich, ob die fossilen Energieträger noch 40 oder 80 Jahre reichen werden – die Alternativen müssen wir jetzt voranbringen“, sagt der Herr am Mikrofon vor versammelter Presse. Zudem, schiebt er die nicht mehr ganz so neue Erkenntnis hinterher, sei das „unbegrenzte Verbrennen fossiler Energierohstoffe wegen der Kohlendioxid-Emission problematisch“.

Der Herr ist beileibe kein Vertreter aus der Ökoecke. Er sitzt vielmehr im Vorstand der DaimlerChrysler AG, ist in dem Unternehmen für Forschung und Technologie zuständig und heißt Klaus-Dieter Vöhringer. Und was er an diesem Tag präsentiert, ist zweifellos innovativ: DaimlerChrysler werde „erstmals die Idee vom Kraftstoff aus biogenen Reststoffen verwirklichen“, sagt der Manager. Sein Unternehmen werde dann mit „erneuerbaren Kraftstoffen“ eine „nachhaltige Mobilität“ schaffen: Deshalb hat der Autokonzern zusammen mit der sächsischen Firma Choren Industries ein gemeinsames Forschungsprojekt gestartet, das die Herstellung von Methanol und Dieselkraftstoff aus Biomasse bald zur Marktreife führen soll.

Im sächsischen Freiberg steht bereits die Forschungsanlage. Mit dem so genannten Carbo-V-Verfahren ist die Firma Choren nach eigenen Angaben weltweit erstmals in der Lage, kohlenstoffhaltige Feststoffe in ein „absolut teerfreies Brenn- oder Synthesegas“ umzuwandeln. Daraus soll anschließend Methanol oder Diesel hergestellt werden.

Doch bis das Verfahren am Markt etabliert sein wird, sind erst noch die Wissenschaftler gefragt. „Wichtig ist uns eine umfassende Energie-, Stoff- und Schadstoffbilanz der Treibstoffe“, sagt Daimler-Manager Vöhringer. Denn nur wenn die Produktion der Treibstoffe mit geringem Energieeinsatz möglich werde, sei der „erneuerbare Kraftstoff“ sinnvoll.

Unterdessen ist auch der niedersächsische Mitbewerber Volkswagen mit der Firma Choren in Kontakt. „Wir beschäftigen uns intensiv mit Treibstoff aus Biomasse“, versichert VW-Sprecher Hartmut Hoffmann. Einen prägnanten Begriff zumindest haben die Wolfsburger schon geprägt; sie nennen ihren Sprit der Zukunft „Sonnentreibstoff“ oder auch „SunFuel“. Er soll allerdings nicht allein aus Energiepflanzen, sondern auch aus anderen Rohstoffen, zum Beispiel Tiermehl oder Altholz, erzeugt werden.

Doch eigentlich, gesteht man dann bei VW ein, sei die Biomassenutzung „erst der zweite Schritt“. Im Moment testet das Unternehmen lediglich die Erzeugung von Diesel aus Erdgas durch die so genannte Fischer-Tropsch-Synthese. Erste Fahrzeuge mit dem „Designer-Benzin“ im Tank sollen noch in diesem Jahr auf die Straße gebracht werden. Wann der Biosprit folgt, sei „noch offen“.

Noch träger als die Wolfsburger Autobauer präsentiert sich die Mineralölindustrie. „Das ist ein Minderheitenthema“, sagt Rainer Winzenried, Sprecher der Deutschen Shell, zum Biosprit und nennt ihn „exotisch“. Natürlich beobachte man die einschlägigen Aktivitäten, sagt er, aber eigene Projekte dazu betreibe man nicht. Die gleiche Auskunft erteilt die BP Oil Deutschland: „Bei uns gibt’s nichts dergleichen.“

Beim Umweltbundesamt (UBA) hört man derartige Zurückhaltung ironischerweise gern. Denn die Berliner Wissenschaftler haben nüchtern gerechnet und finden am Biosprit, anders als die Autofirmen, keine Freude. „Jede Umwandlung von Energie bringt Verluste, daher ist die direkte Verbrennung der Biomasse stets der effizientere Weg“, sagt Axel Friedrich, Leiter der Verkehrsabteilung beim UBA. Deshalb sei es „sinnvoller, mit Biomasse Heizöl zu ersetzen, statt es aufwändig zu verarbeiten, um Benzin zu ersetzen.“

Friedrich argumentiert zudem ökonomisch. Mit weitaus geringeren Investitionen, als sie der Biosprit erfordere, seien Einsparungen beim Fahrzeugverbrauch möglich. Doch diese seien „offensichtlich nicht so sexy wie der Biotreibstoff“. Nüchtern betrachtet sei es sinnvoller, das Sparpotenzial erst einmal auszuschöpfen; es sei billiger, rechnet Friedrich vor, den Verbrauch der Fahrzeuge um zehn Prozent zu senken, als zehn Prozent des mineralischen Treibstoffs durch biogenen zu ersetzen.

Denn tatsächlich wird der Biotreibstoff so billig wie Mineralöl vorerst nicht zu haben sein. Nur dank einer kompletten Befreiung von der Mineralölsteuer wird der Verkaufspreis auf das heutige Niveau konventionellen Sprits herunterkommen. Denn die Gewinnung der Biomasse ist aufwändig und entsprechend teuer: 40 bis 50 Euro je Tonne Trockenmasse koste allein die Gewinnung des Rohstoffs, rechnet Choren-Geschäftsführer Bodo Wolf vor. Da aus einer Tonne Trockensubstanz rund 260 Liter Diesel erzeugt werden können, ergibt sich ein Kostenanteil von fast 20 Cent pro Liter allein durch den Rohstoff.

Und dennoch dürfte der Biotreibstoff unter allen derzeit absehbaren erneuerbaren Kraftstoffen noch die besten Marktperspektiven haben. Denn gegenüber allen Wasserstoff-Visionen hat er den großen Vorteil, dass er als flüssiger Energieträger die heutige Infrastruktur nutzen kann: Jede Tankstelle kann den Biosprit problemlos bereitstellen.

Für Wasserstofffahrzeuge hingegen müsste mit großem Aufwand eine zweite Versorgungsstruktur aufgebaut werden – diese dürfte für den Wasserstoff am Ende zum K.O.-Kriterium werden. BERNWARD JANZING