Topterrorist taucht wieder auf

Dimitris Koufodinas, einer der führenden Köpfe der Terrororganisation 17. November, stellt sich der Athener Polizei

Seit zehn Wochen war er in Griechenland der bekannteste Unbekannte. Dimitris Koufodinas war in aller Munde, seit mit der Verhaftung des ersten Mitglieds der „Revolutionären Organisation 17. November“ der Showdown gegen die linksterroristische Gruppe begonnen hatte. Bei der unzeitigen Explosion einer Bombe am 29. Juni, die am Hafenkai von Piräus zur Festnahme des Ikonenmalers Savas Xiros führte, konnte der 42-Jährige mit dem Decknamen „Loukas“ flüchten. Seitdem war sein Bild täglich in allen Zeitungen: als bärtiges Profil mit hoher Stirn oder als lächelnder Bienenzüchter im weißen Schutzanzug.

Dass der „gefährlichste Terrorist“ so lange untergetaucht blieb, ließ die Behauptung der Athener Regierung, der „17. November“ sei endgültig zerschlagen, übermütig erscheinen. Als der meistgesuchte Mann Griechenlands am Donnerstag mit dem Taxi vor dem Hauptquartier der Athener Polizei vorfuhr, wurde er vom Dienst habenden Beamten erst erkannt, als er sich unter seinem richtigen Namen stellte und die „politische Verantwortung“ für die Aktionen des „17. November“ übernahm.

Bei der „politischen“ Verantwortung wird es nicht bleiben, wenn Koufodinas mit 15 weiteren verhafteten 17N-Mitgliedern vor Gericht gestellt wird. Die Aussagen seiner Genossen identifizieren Koufodinas nicht nur als Chefplaner der meisten Attentate, sondern belasten ihn auch mit sehr konkreten Tatvorwürfen. Die Anklage gegen ihn dürfte mindestens 15 Fälle vollendeten Mordes umfassen. Nach den Ermittlungen des Staatsanwalts soll er auch der Mann sein, der am 8. Juni 2000 von einem Motorrad aus den britischen Militärattaché Stephen Saunders erschossen hat. Auf der Liste seiner Opfer stehen US-Offiziere, türkische Diplomaten, griechische Unternehmer und Politiker wie der konservative Parlamentsabgeordnete Pavlos Bakoyannis, dessen Ermordung 1989 das Land erschüttert hatte.

Am erstaunlichsten ist die polizeiliche Hypothese, dass Koufodinas am Mordversuch an einem US-Offizier im April 1984 beteiligt war. Das würde bedeuten, dass Koufodinas bereits mit 16 den Anschluss an die terroristische Vereinigung gefunden hatte. In diesen jungen Jahren bewegte er sich in polizeiüberwachten Kreisen der Athener Anarchoszene, die mit Hausbesetzungen und illegalen Plakataktionen ausgelastet schien. Sicher hat Koufodinas an den jährlichen Protesten zum 17. November teilgenommen, bei denen jugendliche Linksradikale immer wieder ihre Wut über den „Verrat“ an den Zielen des Studentenaufstands vom 17. November 1973 artikulierten. Diese wichtigste Widerstandsaktion gegen die griechische Militärdiktatur kannte der 1968 geborene Koufodinas nur vom heroisierenden Hörensagen. Er gehörte zu den Zuspätgeborenen, die den historischen Auftrag des antidiktatorischen Kampfs als reine Lehre des Klassenkampfes interpretierten und mit terroristischen Mitteln abarbeiten wollten.

Innerhalb des „17. November“ zählt er zur „zweiten Generation“, die das 1975 begonnene Programm des individuellen Terrors radikalisierte und mit einem erweiterten Waffenarsenal exekutierte. Koufodinas gilt auch als Planer von Operationen wie dem Diebstahl von Bazookas aus griechischen Armeebeständen und dem entsprechenden Raketenwerfer aus dem Athener Militärmuseum. NIELS KADRITZKE