Beben im Bankensumpf

Mehr als 1.500 Berliner demonstrieren im Grunewald gegen Verantwortliche des Bankenskandals. Entgegen vorigen Befürchtungen verläuft der Protest friedlich. Polizei: Eine „Vorzeigedemonstration“

von WOLF VON DEWITZ

Für die Veranstalter war die Demonstration ein Erfolg: Mehr als 1.500 Berliner und Berlinerinnen, viele von ihnen deutlich älter als 40 Jahre, demonstrierten am Wochendende im Westberliner Villenvorort Grunewald gegen Verantwortliche des Bankendesasters, das die Stadt Milliarden kostet. In der Nähe der Villen ehemaliger Bankmanager. Die von vielen befürchteten Ausschreitungen blieben aber aus, sogar die Polizei zeigte sich danach zufrieden.

Dissens zwischen Polizei und Veranstaltern gab es hauptsächlich bei den Zahlen. 1.500 Demonstranten zählte die Polizei zunächst, die mit nur zwei Hundertschaften vertreten war. Später korrigierte Polizeisprecher Jörg Nittmann die Zahl auf 850, „ohne das irgendwie kleinreden zu wollen“, versteht sich. Der Mitorganisator der Aktion, Birger Scholz, widersprach dem: 3.000, ganz bestimmt, „schließlich habe ich Demoerfahrung“.

Damit war er vielen anderen Protestierern wahrscheinlich etwas voraus: Statt der autonomen Demonstranten waren es nämlich ganz normale Berliner Bürger, die weniger revolutionärer Geist denn einfache Sorge um ihr Berlin auf die Straßen gebracht hatte: Lehrer, Sozialarbeiter, Handwerker oder Krankenschwestern. Sie alle trieb die Sorge um, der wegen des Bankenskandals noch verschärfte Sparkurs führe die Bevölkerung ins soziale Aus.

Der angekündigte „witzige Charakter“ der Demo ging allerdings bis ins Sarkastische hinein: Eine Skulptur des Alten Fritz wurde enthüllt, in die das Gesicht von Klaus Landwosky hineinmodelliert war. Die Inschrift: „Für hervorragende Verdienste, für Filz, Korruption und Plünderung. Mit Respekt, die Berliner Bevölkerung“.

Nach der Enthüllung des Denkmals setzt sich der Protestzug in Bewegung – entlang den Eichenalleen und palastartigen Villen im Grunewald. „Kommt mit!“, riefen Demonstranten den verschreckten Gesichtern hinter den Vorhängen zu. Doch die Grunewald-Anwohner schlossen sich nur sporadisch dem Umzug an, eher schaulustig als protestbereit.

Stürmisch beklatscht wurde die Rede von Peter Grottian: Dem „Schweigen im Walde“, das die Politiker dem Bankenskandal und der milliardenschweren Haftungsfalle entgegenbrächten, sei nun ein „Erdbeben im Sommerloch“ gefolgt. Erneut warnte er vor dem Verkauf der Bank und der „Komplizenschaft von Politik und Ökonomie“.

Uschi Volz-Walk vom „Linken Ratschlag“ empörte sich, dass „die Immobilienfondszeichner ungeschoren davonkommen“. In unmittelbarer Nähe war ein Plakat in Anspielung auf die Französische Revolution zu sehen: „Wir fordern 70.000 Köpfe“, eine Guillotine samt maskiertem Henker gleich daneben. Der griff alsbald zum Mikrofon: „Bonzenschweine, aufgepasst, wir holen euch aus euren Villen, um euch hinterher zu grillen, unsere Wege pflastern Leichen, heute fressen wir die Reichen.“ Radikale Ausrutscher, die das beeindruckende Gesamtbild der Demonstration nicht trüben konnten.

„Eine Vorzeigedemonstration“, resümierte sogar Polizeisprecher Nittmann: Es gab keine Ausschreitungen und nur geringfügige Sachbeschädigungen. Zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung kam es nur einmal – als mutmaßliche NPD-Aktivisten, die ein antisemitisches Transparent entrollten, von Teilnehmern aus der Demonstration gedrängt wurden.