: Der Puppenübersetzer
15 Jahre „theatrium“ in Bremen. Ebenso lange ist der Ost-Berliner Figurenspieler Detlev Heinichen dabei. Nun wird gefeiert – mit einem großen Festival
Mit einer Adaption von „Schlafes Bruder“ und einem internationalen Festival feiert das Figurentheater „theatrium“ im Schnoor sein fünfzehnjähriges Bestehen.
Im leeren Zuschauerraum hantiert Detlev Heinichen hantiert mit drei Figuren herum, auf der Suche nach dem passenden Bewegungsablauf. Probenalltag. Nur dass hier nicht viele Schauspieler über die Bühne tapern, sondern nur einer. Heinichen kam vor fünfzehn Jahren aus Ost-Berlin nach Bremen. Eine Schauspielausbildung der renommierten Ernst-Busch-Theaterschule im Gepäck. Fachrichtung: Puppenspiel. Was ihn antrieb, klingt ebenso simpel wie kompliziert.
„Wie kann man totes Material auf der Bühne beleben, das hat mich fasziniert. Puppen haben eine unglaubliche Ehrlichkeit und Symbolkraft. Eine kann viel leichter für eine ganze Gruppe von Menschen, für eine Haltung stehen, als es ein Schauspieler könnte.“ Bremen war damals nicht gerade eine Hochburg des professionellen Figurentheaters. „Ich musste künstlerisch ganz neu laufen lernen“, sagt er.
„Es gab damals im Schnoor einen rührenden alten Herrn, der hat hier Puppentheater für Kinder gespielt. Ganz anders als ich es gelernt hab und machen wollte. Irgendwann konnte er sein Theater nicht mehr bespielen und hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, es zu übernehmen – und ich konnte mir das vorstellen!“ Wieder grinst Heinichen, unaufdringlich und ein wenig verschmitzt.
Sowas kann man gut brauchen, wenn man eine kleine Kultureinrichtung bis zum fünfzehnten Geburtstag bringen will. Zumal, wenn man für die letzten Jahre schwarze Zahlen vorzuweisen hat. Zunächst kam der „Faust“, dann der „Kleine Prinz“. Und Stücke für Kinder. Es bildete sich eine Theaterstruktur heraus. Es wurde und wird arbeitsteilig gearbeitet.
„Der größte Unterschied zwischen Figurentheatern in Ost und West war wohl der, dass es in Osteuropa selbstverständlich war, von Ensembletheatern auszugehen. Es gab richtig große Häuser. Ich zum Beispiel kann bis heute keine Puppen bauen. Ich will das auch gar nicht. Ich bin schließlich Schauspieler. Hier gab es Solisten, die auch spannende Sachen gemacht haben. Doch das war etwas anderes.“
Einer von ihnen war Matthias Träger, ein Bremer, mit dem sich Heinichen bald zusammenschloss. 1991 gab es Verstärkung. Die Schauspielerin Katrin Krebs, ebenfalls von der Busch-Schule, kam nach Bremen. Bis heute bildet sie mit den beiden Männern das Team des „theatrium“.
„Leidenschaftslos und elementar, in den genauesten Konturen“, hat der französische Dramatiker Alfred Jarry einmal gesagt, „übersetzen die Marionetten unsere Gedanken.“ Alles andere als leidenschaftslos sind die Spieler, von denen die Figuren zum Leben erweckt werden wollen. Die Faszination, die davon ausgeht, ist deutlich spürbar, wenn man Heinichen zum x-ten Mal eine kleine Sequenz probieren sieht. Immer und immer wieder. Da wird eine Suche deutlich, eine Sehnsucht auch. Viel eindrucksvoller, als er sie wohl mit Worten beschreiben könnte.
„Und dann ist da die Neugier des Publikums, bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen. Das ‚theatrium‘ spielt gerne bekannte Stoffe. Wir versuchen herauszugehen aus der Geschichte. Es ist interessant zu beobachten, wie die Leute reagieren. Figurentheater hat viel mit Phantasie zu tun. Wenn‘s gelingt, vergessen die Zusehenden, dass neben dem Spieler Puppen auf der Bühne sind, die man später in den Schrank hängt. Das funktioniert bei Dreijährigen wie bei Achtzigjährigen.“
Tim Schomacker
„Schlafes Bruder“ feiert am Samstag um 19.30 Uhr Premiere, was gleichzeitig auch den Auftakt zum Fest „15 Jahre theatrium“ bildet. Weitere Infos zum Programm: www.theatrium.puppentheater.de oder ☎0421–326813
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen