pampuchs tagebuch
: Hau den Igel

Alles googelt. Der Guardian machte seine Donnerstagsbeilage mit einer Google-Geschichte auf, die Süddeutsche zog am Wochenende nach, und am Dienstag berichtete sie noch mal aktuell aus Peking vom Kampf des Igels (Google) gegen den Hasen (Präsident Jiang Zemin). Dem hat es offensichtlich nicht gefallen, dass er bei Google beim 14. Suchergebnis zu seinem Namen auf eine interaktives Spiel gewiesen wurde, das den Titel „Slap the evil dictator Jiang Zemin“ trägt. Ich habe es ausprobiert, bin aber nicht recht weitergekommen, weil mein Kistchen „Shockwave“ ums Verrecken nicht installieren wollte – vermutlich wird das inzwischen auch vom chinesischen Geheimdienst geblockt.

 Auf www.urban75.com/Punch bin ich dafür aber zu dem Vergnügen gekommen, Le Pen und Bin Laden zu „punchen“ und George W. Bush zu „warpen“ – was man wahlweise auch an den Backstreet Boys, Tony Blair und anderen Visagen ausprobieren kann – deutsche Politiker und andere germanische Größen sind leider noch nicht verfügbar.

 China jedenfalls hat Ärger mit Google und umgekehrt, was beide überleben werden: Bei 150 Millionen Google-Anfragen täglich fallen die 45 Millionen chinesischen Internetbenutzer nicht so ins Gewicht. Und selbst wenn die alle Jang Zemin täglich slappen würden, 955 Millionen Chinesen täten es immer noch nicht, da könnte der Präsident weiter ganz gut schlafen. Tut er aber nicht, und nun lässt er den Google-Igel hetzen, was erfreulicherweise wiederum ein Heer chinesischer Netzrebellen auf den Plan gerufen hat. Die bieten jetzt laufend Ausweichadressen für Google an, schimpfen zu Recht auf die Zensoren der Partei und leisten fleißig Widerstand: Die Suchmaschine als Ritter der Revolution, als Symbol des zivilen Ungehorsams, als Speerspitze der Demokratiebewegung. Da hätte der olle Mao ganz schön geguckt mit seinem Vollmondgesicht. Kurzer Klick statt Langer Marsch – nicht nur die Inhalte, auch die Techniken der Revolution haben sich geändert. Wer zu spät klickt, den bestraft die Geschichte.

 Ist nun Google – 1999 von den beiden Stanford-Youngsters Larry Page und Sergey Brin erstmals ins Netz gebracht und seitdem die Suchmaschine schlechthin – wirklich die endlich entdeckte Form der Demokratie? Immerhin vertraue ihr „PageRank“ auf die „einzigartig demokratische Natur des Webs, indem es die riesige Linkstruktur als Indikator des Wertes der einzelnen Seiten benutzt.“ Und dabei wird nicht nur auf die bloße Anzahl der Links geachtet, sondern – nach einer Formel, die so geheim ist wie die von Coca-Cola – auch auf die Bedeutung der Seiten: Keiner kann das kontrollieren, die Wichtigkeit einer Seite kommt aus den Tiefen des Netzes selbst. Behauptet man jedenfalls bei Google. Kritiker (und keineswegs chinesische) werfen Google freilich vor, dass es die großen und berühmten Sites bevorzuge, also „die Reichen reicher macht und die Armen nicht beachtet.“ www.google-watch.org, die offizielle Seite zum Google-Slapping, empfiehlt den Jungs im Silicon Valley, gefälligst einen „egalitäreren Ansatz“ zu finden, sonst sei die Suchmaschine strafweise zu einer „öffentlichen Behörde“ zu erklären oder zumindest von der Federal Trade Commisson zu kontrollieren. Wir vertrauen lieber auf die Tiefen des Netzes. Und auf die chinesischen Dissidenten. Lasst hunderttausend Googles blühen! THOMAS PMPUCH

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