„Alte und neue Bewegung verbinden“

Gemeinsam ziehen Attac und die Gewerkschaftsjugenden am Samstag durch Köln. Aktivist Peter Wahl und IG-Metaller Jan Engelhardt über die Zusammenarbeit und dazu, was Betonköpfe und Ewig-Rumdiskutierer voneinander wollen

taz: Das Motto Ihrer Aktion heißt „Her mit dem schönen Leben“. Ist Ihr Leben so trostlos?

Jan Engelhardt: Nein, wir sind nicht frustriert, sondern sehen unsere Aktion als selbstbewussten Auftritt in Anlehnung an den Dichter Wladimir Majakowski, der gegen den Konsumwahn in der Sowjetunion schrieb und unser Motto erfand. Wir wollen keine „Spaßgesellschaft“, sondern ein selbstbestimmtes Leben, in dem die Arbeit eine herausragende Rolle einnimmt.

Peter Wahl: Uns ist auch der zweite Teil des Mottos sehr wichtig: „Eine andere Welt ist möglich!“ Die Welt ist doch nur für grenzenlos Dumme oder grenzenlos Reiche in Ordnung. Aber es gibt wieder mehr Menschen, die den Spruch „Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt“ beherzigen.

Warum ziehen Sie durch Köln und nicht durch Berlin?

Wahl: Der Bevölkerungsschwerpunkt liegt nun mal im Westen. Berlin ist da ganz einfach zu weit vom Schuss – ebenso wie Hamburg und München.

Engelhardt: In Nordrhein-Westfalen sitzen unsere größten Landesverbände. Und schließlich wird ja auch, glaubt man den Meinungsinstituten, die Bundestagswahl in NRW entschieden …

Attac und die Gewerkschaften arbeiten schon bei der Gesundheitspolitik zusammen. Sie haben eine „Heidelberger Erklärung“ gegen die Privatisierung der Krankenversorgung verabschiedet. Ein etwas mageres Ergebnis …

Wahl: Diese Erklärung hat die alte mit der neuen sozialen Bewegung verknüpft. Hinzu kommt: Die Gesundheitspolitik ist nicht nur ein nationales Thema, sondern auch unter Globalisierungsgesichtspunkten wichtig. Wenn erst die privaten Krankenhauskonzerne aus den USA auf den deutschen Markt drängen, werden sie sich nur die Rosinen rauspicken – die Kranken mit dem meisten Geld. Dann gilt wieder der Spruch: Weil du arm bist, musst du früher sterben. Globalisierungskritik ist die Grundlage für unsere strategische Allianz.

Engelhardt: Wir sind sehr froh, dass sich Attac bei der Gesundheitspolitik engagiert. In der Gewerkschaft sind die Jugendlichen nicht so politisch. Das ändert sich aber, wenn die erfahren, was im VW-Werk in Südafrika los ist und wie viele den HI-Virus haben.

Aber will Attac wirklich mit den gewerkschaftlichen Betonköpfen zusammenarbeiten?

Wahl: Diese alte Sicht mit den Betonköpfen ist heute nicht mehr zeitgemäß. Die Gewerkschaften haben nur eine Zukunft, wenn sie sich erneuern. Und ich kann bei ihnen eine Öffnung zu den Themen Frauen, Umwelt und Organisationsstruktur erkennen.

Engelhardt: Manchmal kann es auch nicht schaden, hart wie Beton zu sein – zum Beispiel bei Tarifverhandlungen. Da ist es unsere Stärke, dass wir zusammenhalten. Und deshalb wollen wir unsere Strukturen auch nicht aufbrechen, sondern durch das Projekt mit Attac ergänzen.

Aber diese Attac-Studis kommen doch immer zu spät und müssen alles ausdiskutieren.

Engelhardt: Natürlich gibt es auch einige wirklich unterschiedliche Interessen. Aber der jetzige Austausch steht noch ganz am Anfang und ist wichtig. Immer, wenn Intellektuelle und Arbeiterbewegung zusammengearbeitet haben, war das positiv.

Heißt das, die Gewerkschaften brauchen frisches Blut?

Engelhardt: Wir haben genug frisches Blut. Die beteiligten Gewerkschaften haben 500.000 jugendliche Mitglieder.

Werden jetzt die alte und die neue Linke Hand in Hand zusammenarbeiten?

Wahl: Manchmal ist das ein bisschen eng, wenn man in den Kategorien „alte und neue Linke“ denkt. Ich spreche lieber von einer „emanzipatorischen Politik“. Unter diesem Dach gibt es viele Kräfte zu vereinen. Auch in den Kirchen findet man ja Unterstützung für Attac. Aber wenn man denen sagt, sie seien Bestandteil der Linken, antworten die schnell: „Du spinnst wohl.“

Engelhardt: Mein Wunsch an eine emanzipatorische Politik ist, dass wir konkret werden. Damit die Jugendlichen uns unterstützen, muss das Ziel nachvollziehbar sein. Darum stellen wir am 14. September die eindeutige Forderung: „Jetzt wird umverteilt!“

INTERVIEW: FABIAN LÖHE