Bewährung für die Bauleiter

In Hastedt kamen 1998 drei Schwarzarbeiter bei einem Arbeitsunfall ums Leben. Das Amtsgericht verurteilte jetzt zwei Verantwortliche wegen fahrlässiger Tötung

„Es war beiden Angeklagten klar, dass auf dem Dach keinerlei Sicherheitsvorschriften eingehalten wurden.“

Bis zum Schluss wollte sich keiner zu seiner Verantwortung bekennen – doch beide Bauleiter, die wegen des tödlichen Arbeitsunfalls von drei Schwarzarbeitern in Hastedt auf der Anklagebank saßen, haben sich der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht. Das entschied gestern ein Schöffengericht unter Vorsitz von Amtsrichter Friedrich Kornblum. Die Kammer verurteilte Hartmut K. zu 17 Monaten und Reiner A. zu 22 Monaten auf Bewährung und schloss sich damit im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwältin an. Die beiden Verteidiger hatten Freisprüche gefordert.

Drei junge kurdische Familienväter waren am 27. Juli 1998 zehn Meter in den Tod gestürzt, als sie zusammen mit weiteren ungelernten Schwarzarbeitern unsachgemäß und ohne jede Absicherung Dachpappe von einer ehemaligen AEG-Halle entfernten. Einige der Hilfskräfte waren unmittelbar vor dem Unfall beim Kurdischen Verein in Bremen angeheuert worden: „Die Leute hatten von Tuten und Blasen keine Ahnung“, sagte Richter Kornblum. In seinem Urteil sprach er von einem „relativ schweren Verschulden“ der Angeklagten, das hart an der Grenze vom „Unterlassensdelikt“ zum „aktiven Tun“ liege: „Sie haben gewusst, was auf dem Dach vorgeht, da hätten Sie eingreifen müssen“, rügte Kornblum.

Zahlreiche Details über Abläufe und Zuständigkeiten auf der Baustelle konnten auch in der Hauptverhandlung nicht restlos aufgeklärt werden. Zeugen erinnerten sich nur teilweise oder erschienen erst gar nicht. Die Angeklagten versuchten – mit teilweise abenteuerlich anmutenden Geschichten – ihre Verantwortung für die Dach-Arbeiten der Kurden zu leugnen.

Staatsanwältin Tanja Wyluda gab sich in ihrem Plädoyer überzeugt, dass beide Angeklagten ein „hohes Maß an Pflichtwidrigkeit und Fahrlässigkeit“ zu verantworten hätten. Die Hauptverhandlung habe erwiesen, dass sowohl K. als auch A. den Arbeitern Anweisungen gegeben hätten. Beiden sei die Gefahr bewusst gewesen, in der sich die Menschen auf dem Dach befunden hätten. Sehenden Auges seien jedoch sämtliche Arbeitgeberpflichten ignoriert worden: „Es war den Angeklagten klar, dass auf dem Dach keinerlei Sicherheitsvorschriften eingehalten wurden.“

Bis zuletzt hatten die beiden Angeklagten und ihre Verteidiger ihr bizarres „Schwarzer-Peter-Spiel“ durchgehalten und versucht, die Verantwortung für den Arbeitsunfall sich gegenseitig oder Dritten in die Schuhe zu schieben. A.s Pflichtverteidiger Martin Hinze identifizierte jede Menge Mitschuldiger, nur nicht seinen Mandanten. Zum großen Teil sei es sogar „die eigene Dummheit gewesen“, dass die illegalen Arbeiter abgestürzt seien, vergriff sich Hinze im Ton.

Während bei K., der nicht vorbestraft ist und während des Prozesses einen aufgewühlten, nachdenklichen Eindruck machte, die Bewährungsstrafe „kein großes Problem“ gewesen sei, sei A. „nur mit Hängen und Würgen“ ohne Haftstrafe weggekommen sagte Kornblum. A. verhedderte sich bei seinen Aussagen in Widersprüche, versuchte sich mit nachträglichen Schutzschriften reinzuwaschen und hat ein beachtliches Vorstrafenregister: darunter Beihilfe zur Untreue, Vorenthaltung von Arbeitsentgelt und vorsätzliche umweltgefährdende Abfallbeseitigung. Da A. bei dem Abriss-Job unter enormem Zeitdruck stand, habe er zudem ein „erhebliches ökonomisches Interesse daran gehabt, möglichst viele Leute möglichst billig auf das Dach zu treiben“, warf ihm das Gericht vor.

Markus Jox