piwik no script img

arbeit der gegenwartChronik einer Recherche

Oder: „Mahlzeit!“

Wenn ich morgens um neun Uhr das Büro aufschließe, sitze ich meistens die ersten zwei Stunden allein dort. Kommen gegen elf die Kollegen, gibt es ein fröhliches Hallo, wir trinken eine Stunde Kaffee und – huch – ist es ja schon wieder Mittag. Zeit, beim Mexikaner vorbeizuschauen.

So ist es natürlich nicht jeden Tag, man will ja schließlich auch mal Geld verdienen. Neulich also ganz brav um zehn mit der Recherche angefangen. Alle Gesprächspartner sitzen in „Besprechungen“, die Pressestelle des Bundesforschungsministeriums ist nur notbesetzt – der Grund: ein Betriebsausflug. Um halb zwölf schließlich ein Anruf bei der Pressestelle der Telekom. „Herr G. ist zu Tisch“, heißt es von der Vorzimmerdame. So, denke ich, und mir fällt ein, dass ich noch nicht gefrühstückt habe. Zwischendurch noch mal beim Bundesbildungsministerium nachgefragt, Referent S. will sich so schnell wie möglich melden. Das wird, wie sich später heraustellt, zwei Tage dauern. Schlecht gelaunt von der miesen Ausbeute des Vormittags gehe ich erst mal was essen. Erstaunlich viele Kollegen sitzen auf den Trottoirs und trinken Kaffee, die Sonne scheint.

Ein wenig verdauungsblöd versuche ich eine Stunde später wieder mein Glück bei der Telekom. Der Anschluss ist ständig besetzt. Von seinen langen Telefonaten kann die Vorzimmerdame ihren Vorgesetzten natürlich nicht abhalten. Dass Herr G. zwei Stunden später immer noch die Leitung lahm legt, macht mich ungeduldig. Als ich gegen zwei Uhr schließlich völlig entnervt die Sekretärin bitten will, doch noch einmal bei ihrem Chef persönlich anzuklopfen, kommt die Antwort: „Herr G. ist gerade gegangen.“ Natürlich. Es ist Freitag, da macht um eins jeder seins. Wir Journalisten müssen einfach früher aufstehen.

PS: Herr G. von der Telekom hat sich vier Tage später freiwillig gemeldet. Nachmittags um fünf. Immerhin.

CHRISTINE BERGER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen