Pragmatiker in der K-Gruppe

Dirk Ippen lenkt 22 Zeitungen, versteht sich kokett als Kleinverleger und mutet seiner Branche die ein oder andere bittere Wahrheit zu. Der neue, alte Star der Zeitungsverleger setzt auf Leser und Lokales

aus Hamburg HEIKO DILK

Dirk Ippen musste eine Menge Lob entgegennehmen. Und Hände schütteln. Schließlich hatte der Verleger gerade seine Rede zum Thema „Wo stehen die Verlage, wo müssen sie hin?“ gehalten. Dem Applaus nach zu urteilen, hat er den meisten seiner anwesenden Kollegen aus dem von der Branchenkrise wunden Herzen gesprochen.

Das Treffen des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) fand dieses Jahr weitgehend hinter verschlossenen Türen statt. Denn natürlich stand es im Zeichen der Krise, und so durften nur Verleger und Chefredakteure von dem BDZV angeschlossenen Unternehmen dabei sein, als es um „Prognosen, Diagnosen, Strategien“ ging. Und nicht nur ihr schweres Leid wollte sich die Branche klagen, sondern angeblich auch Klartext reden, die eigenen Fehler zur Sprache bringen. Doch was dann folgte, war nicht wirklich aufsehenerregend. Kein Wunder: Auch im BDZV, dem die taz nicht angehört, ziehen längst nicht alle an einem Strick.

Nur ein Punkt war von Anfang an klar: Dirk Ippen ist der neue Star der Branche. Weil er sich mit öffentlichen Auftritten und Äußerungen zurückhält, wird er gerne als „stiller Riese“ (Berliner Zeitung) bezeichnet. Und weil er erfolgreich ist, als „knallharter Sanierer“ (Welt). Nun weiß man: Ein passabler Redner ist Ippen auch. Also musste er beim Imbiss in der Tagungspause häufig aufstehen, Hände schütteln Lob ertragen, was ihm wohl ein wenig unangenehm war. Doch zur Bescheidenheit kommt Koketterie: Als „kleiner Lokalzeitungsverleger“ hatte sich der Herr über 22 Titel in ganz Deutschland (siehe Kasten) vor seiner Rede offiziell vorstellen lassen.

Beim jüngsten Neuerwerb, der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) baute der Sanierer nicht etwa Stellen ab: Der Umfang wurde vielmehr erweitert, neue Redakteursstellen wurden geschaffen und das Blatt farbig gemacht.

Dazu passt, dass Ippen auf dem BDZV-Podium seinen Verleger-Kollegen bemerkenswerte Dinge erzählte. Zum Beispiel, dass man keine riesigen Controllingabteilungen bräuchte, dass man lieber die bestehenden Strukturen überprüfen und verändern sollte, statt pauschal Sparziele von 5 oder 10 Prozent zu verkünden und Stellen zu streichen. Spätestens hier hätten einigen Verlegerkollegen beim Applaus eigentlich die Hände abfallen müssen.

Im direkten Gespräch sagt Ippen natürlich auch: „Verlage brauchen auch Umsätze, wenn die ausbleiben, muss das Konsequenzen haben“ – der Mann ist eben Pragmatiker. Anfang der Achtzigerjahre mussten 300 Mitarbeiter gehen, als er beim Münchner Zeitungsverlag (Münchner Merkur, tz) einstieg. Um die Wirtschaftsziele zu erreichen – der Merkur macht mittlerweile 200 Millionen Euro Gewinn im Jahr –, müsse man die „Wände zwischen Verlag und Redaktion“ einreißen, sagt Ippen. Damit sei nun nicht etwa die Preisgabe redaktioneller Unabhängigkeit gemeint: „Wenn ich sage: Wände einreißen, soll das nicht heißen, dass die Redaktion sich um die Kasse kümmern soll. Sie soll sich um den Leser kümmern und nicht um den intellektuellen Kollegen.“ Überhaupt der Leser: Für Ippen dient eine Zeitung nicht nur der Nachrichtenvermittlung, sondern bildet eine „Solidargemeinschaft mit den Lesern und ihren örtlichen Gemeinschaften“.

Die gleiche Argumentation taugt übrigens nicht nur zur Umfangserhöhung wie jüngst bei der HNA, sondern auch fürs Gegenteil: „Wer sagt denn, dass FAZ, SZ oder FR unbedingt Berlin-Seiten brauchen?“, sagt Ippen dann, oder: „Es ist doch durchaus möglich, dass der Leser eine schlankere Zeitung wünscht.“

Das dauernde Synergiegefasel seiner Branche findet Ippen hingegen nicht allzu sinnvoll, Anhänger von Springer-Vorstand Mathias Döpfner dürfte er also nicht sein. Denn der forderte in Hamburg alle anwesenden 600 Verleger auf, die Springer-Strategie im Zeichen der vier „K“ anzuwenden: „Konsolidierung, Kostensenkung, Kundennähe und Kreativität“. Nun sieht die Kreativität bei Springer in erster Linie so aus, dass 1.400 Beschäftigte gehen müssen und Redaktionen zusammengelegt werden.

Trotzdem zeigte Ippen Verständnis für den Springer-Kurs: „Die Zusammenlegung von Welt und Morgenpost war für den Berliner Markt wohl die bessere Alternative gegenüber der Einstellung einer der beiden.“ Das dürfte zwar nie ernsthaft zur Debatte gestanden haben – aber vielleicht ist Dirk Ippen ja auch wegen seines verständnisvollen Umgangs mit weniger erfolgreichen Kollegen so beliebt.