FDP ohne Alternative

Der „Kanzlerkandidat“ kann das „Projekt 18“ jetzt nicht mehr abschreiben

BERLIN taz ■ Guido Westerwelle strahlt immer, wenn er über die FDP spricht. Das gehört zum Projekt 18. Aber gestern strengte er sich besonders an, schaltete zum Kampfstrahlen hoch, als er vor die Presse trat. Schlechte Umfragewerte für die Liberalen? Die gibt es nicht.

Zwar prognostizieren die meisten Meinungsforscher, dass die FDP nur etwa acht Prozent bei der Bundestagswahl erreichen dürfte. Bis vor kurzem schien Zweistelliges nicht ausgeschlossen. Doch dieser liberale Sinkflug ist für Westerwelle nicht real, sondern „normales Geschäftsinteresse von Umfrageinstituten“. Man wisse doch: „Die brauchen spektakuläre Zahlen, um gedruckt zu werden.“ Und es dauerte nicht lange, bis das Stichwort Sachsen-Anhalt fiel. Auch bei dieser Landtagswahl im April hatten die Meinungsforscher nur acht Prozent für die FDP vorhergesehen, heraus kamen 13,3 Prozent.

Westerwelle sah daher gestern keinen Grund, das Projekt 18 abzuschreiben. Einen entsprechenden Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hatte er zwar „gelesen“ – aber er „fand ihn nicht überzeugend“. Schon aus journalistischen Gründen: „Da wurde kein einziger Zeuge genannt!“

Und in der Tat dementierten gestern alle FDP-Granden auf allen medialen Kanälen, dass die liberale Parteispitze zu neuer Bescheidenheit gefunden habe. Keineswegs wäre man schon froh, wenn die Freidemokraten am Ende zwei Prozent vor den Grünen liegt. Stattdessen blieb es auch gestern wieder bei den bekannten Formeln: „Wir sind eine unabhängige Alternative.“

Es ist allerdings eine Alternative ohne Alternative: Es ist zu spät für Neudefinitionen. Schließlich hat man erst vor einer Woche eine Wahlkundgebung namens „Sonderparteitag“ veranstaltet, wo 662 Delegierte eigens nach Berlin bestellt wurden, um erneut das Projekt 18 zu beklatschen – und den eigenen Kanzlerkandidaten. Dieser selbst verliehene Ehrentitel wäre sofort sinnlos, wenn Projekt 18 offiziell durch Realität 8 ersetzt würde.

Also behauptete K-Kandidat Westerwelle lieber erneut, er vertrete „eine Partei fürs ganze Volk“. Die Wähler in Mecklenburg-Vorpommern scheinen diese Wahrnehmung noch nicht zu teilen. Am nächsten Sonntag stimmen sie auch über ihren Landtag ab, Emnid prognostiziert für die FDP drei Prozent. Aber vielleicht ist das wieder nur böswillige Geschäftspolitik.

ULRIKE HERRMANN