Jara steht zur Wahl

Fußball: Würden Bundesligatrainer gewählt werden, hätte HSV-Coach Kurt Jara nach der vierten Niederlage gestern kaum Stimmen für sich gewinnen können. 0:2 gegen Hertha BSC Berlin.

Danach war für uns nur noch Schadensbegrenzung möglich

von Markus Völker

Wahlempfehlungen aus Hamburg ist man ja gewohnt. Zuletzt erregte bekanntermaßen der deutsche Ableger der hier erscheinenden „Financial Times“ Aufsehen, als das lachsfarbene Blatt ihren Lesern den Stift zum Wahlzettel führte. Am Samstagnachmittag legten die Anhänger des HSV im Berliner Olympiastadion nach, indem sie den Hamburger Sportverein nachhaltig zur Wahl empfahlen. Zu diesem Zweck entblätterten sie überdimensionale Plakate, auf denen das Kreuz am rechten Fleck prangte. Die etwa 400 HSV-Wahlhelfer lagen bei ihrer kaum überraschenden Parteinahme freilich genauso daneben wie die Chefredakteure der Finanzpostille. Den HSV in der Form des Samstags zu wählen, da läge es schon näher, die staatsbürgerlichen Pflichten ganz zu missachten und sich der Wahl zu enthalten.

Der HSV kam auch trotz des Einsatzes von Sergej Barbarez, nach Innenbandriss am Knie wieder fit, nicht über die Fünfprozenthürde und zum Einzug in eine höhere Etage der Bundesligatabelle, weil Hertha BSC mit Entschiedenheit und weit mehr Aggressivität die Mehrheit beanspruchte. Zwar konnte Romeo nach seiner Chance in der 8. Minute die HSV-Kurve mobilisieren, doch dann wars vorbei mit der Offensive.

Barbarez verlegte sich hauptsächlich darauf, seinen Einstand nach 48 Tagen Pause nicht allzu arbeitsintensiv werden zu lassen und führte alsdann seine schicken weißen Schuhe, die vorzüglich mit dem Trikot korrespondierten, im Mittelfeld aus. Barbarez' Gegenspieler Thorben Marx hatte Zeit und Muße, sich von ihm zu lösen und Attacken einzuleiten. „Barbarez ist mit zunehmender Spielzeit immer öfter stehen geblieben, da konnte ich leichter in den Angriff gehen“, verriet Marx. Ein solcher Marx'scher Vorstoß sorgte für das 1:0. Marx wurde gefoult und Marcelinho schob den Freistoß in der 50. Minute über die Mauer ins Tor.

„Das kann bei Marcelinho immer passieren“, sagte Trainer Kurt Jara danach resigniert, um dann festzustellen, dass die Ambitionen des HSV in nur drei Minuten zunichte gemacht worden seien. Bart Goor sorgte für das 2:0 (52.) und Michael Baur mit seinem Abgang nach gelb-roter Karte (54.) für böse Ahnungen bei Jara. „Danach war für uns nur noch Schadensbegrenzung möglich, sonst wäre uns das Gleiche passiert wie in der vergangenen Saison“, sagte er in Erinnerung an das vernichtende 0:6.

Der, so Jara, „kopflose“ HSV fuhr mit dem 0:2 in Berlin seine vierte Saisonniederlage ein. Angesichts dieser Bilanz den HSV zu wählen, dazu braucht es zwischen dem Verein und seinen Fans schon eine verdammt starke Wählerbindung. Eines war für viele HSV-Fans nach Spielende in jedem Fall klar. Kurt Jara wird nicht mehr ihr Kanzler, was die zahlreichen „Jara raus“-Rufe eindrucksvoll belegten.