Satte Mehrheit für Rot-Grün

GAL triumphiert, SPD bangt, CDU hofft, FDP trauert, PDS spekuliert und Schill ins Abseits gedrängt: Hochrechnungen und Reaktionen im Congress Centrum Hamburg auf die Hamburger Ergebnisse bei der Bundestagswahl

von PETER AHRENSund HEIKE DIERBACH

Bis 18.49 Uhr will Ronald Schill es nicht wahrhaben: „Die Umfragen sind manipuliert. Ich rechne noch mit über zehn Prozent.“ Erst als um 18.50 Uhr die Hamburger Hochrechnungen von 4,4 Prozent für seine Partei vorliegen, hat die Wahl plötzlich „nichts mit der Hamburger Politik zu tun“: Mit 0,9 Prozent bundesweit ist die Schill-Partei die große Verliererin an diesem Abend. Die GAL aber strahlt: Die Grünen erreichen in Hamburg mit 16 Prozent ein Ergebnis wie zu ihren besten Zeiten.

„Wir sind der große Wahlsieger in Hamburg“, feiert die Landesvorsitzende Anja Hajduk, die auf Platz eins der Landesliste in den Bundestag einzieht. Krista Sager, GAL-Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft, sieht das Ergebnis auch als „persönlichen Vertrauensbeweis“ für Außenminister Joschka Fischer. Sager wird wohl neben Hajduk in den Bundestag einziehen. Die GAL muss sich für die Bürgerschaft eine neue Fraktionschefin suchen.

Jubel bei der GAL, Abwarten bei den ChristdemokratInnen. Erst später hellen sich die Mienen auf, obwohl das Hamburger Ergebnis von knapp 29 Prozent unter den eigenen Erwartungen liegt. Landeschef Dirk Fischer macht das „wenig sinnstiftende“ Antreten der Schill-Partei für das maue Ergebnis verantwortlich. Er wird weiterhin mit Volker Rühe und Antje Blumenthal für die Union im Bundestag sitzen. Für Jürgen Klimke reicht der Platz vier der Landesliste voraussichtlich nicht.

Wie bei der CDU herrscht bei der SPD angesichts der bestenfalls hauchdünnen Koalitions-Mehrheit das große Zittern. Parteichef Olaf Scholz nennt das Hamburger SPD-Ergebnis von 41 Prozent „insgesamt ganz erfreulich“. Die sechs gewonnenen Direktmandate, spekuliert er, könnten für die rot-grüne Mehrheit in Berlin noch ausschlaggebend werden. Scholz glaubt bei aller Unwägbarkeit an eine Fortsetzung der Kanzlerschaft Gerhard Schröders: „Knappe Mehrheit ist auch Mehrheit.“

Dasselbe behauptet Fischer denn auch von einer CDU-FDP-Konstellation. FDP-Spitzenkandidat Rainer Funke führt das schlechte Ergebnis seiner Partei allein auf den Möllemann-Effekt zurück. Das Hamburger FDP-Resultat von 6,9 Prozent, immerhin deutlich über dem Bürgerschaftsergebnis vom Vorjahr, tröstet ihn wenig. Zumal durch das schlechte Bundesergebnis auch Funkes Wiedereinzug in den Bundestag gefährdet wird.

Und noch einer schaut an diesem Abend eher sparsam. Meinhard Meuche-Mäker, Büroleiter der PDS-Bundestagsfraktion in Hamburg und Direktkandidat in Eimsbüttel, vermutet angesichts des Scheiterns seiner Partei, wahrscheinlich seien viele zu Hause geblieben, denen „vorher schon suggeriert wurde, dass eine Stimme für die PDS ohnehin verloren sei“.

Von verlorenen Stimmen will Schill nicht sprechen. Er beeilt sich, festzustellen, dass „das bundesweite Projekt keineswegs gescheitert ist“. Man habe eben nicht genug Zeit zur Vorbereitung gehabt, und außerdem „sind wir ja von den Umfrageinstituten und von den Medien im Wahlkampf ignoriert worden“.