DIE SLOWAKEN ENTSCHIEDEN SICH BEI DEN WAHLEN PROEUROPÄISCH: Modell nackter Hintern
Der bekannteste Wahlslogan der Slowakei stammte vom Linkspopulisten Robert Fico und hieß: „Ja zur EU – aber nicht mit heruntergelassenen Hosen.“ Das sahen die Wählerinnen und Wähler anders. Sie entschieden sich überraschend proeuropäisch und votierten damit genau so, wie es EU und Nato verlangt hatten. Wäre Fico oder gar der nationalistische frühere Premierminister Mečiar mit der Regierungsbildung beauftragt worden, wäre die Slowakei im November in Prag aus der Runde der Nato-Beitrittskandidaten und im Dezember in Kopenhagen aus dem Kreis der EU-Anwärter geflogen.
Jetzt kann die Modernisierung der Slowakei von oben nach unten, vor allem durch die Vorgaben aus Brüssel weitergehen. Um in Ficos Bild zu bleiben: Die Slowaken haben sich für den nackten Hintern entschieden, indem sie die Partei des Premiers Mikuláš Dzurinda eindrucksvoll zur zweitstärksten Kraft gemacht haben.
Glücklicherweise. Aus eigener Kraft hatten Reformprojekte in der Slowakei bisher keine Chance. Die Entwicklung des kleinen Landes wird bestimmt von überforderten, unseriösen oder sektiererischen Politikern und programmschwachen Parteien; den Institutionen des erst zehn Jahre alten Staates fehlt noch die innere Festigung, und die Mehrheitsgesellschaft ist durch jahrhundertelange Fremdherrschaften zutiefst von Autoritätshörigkeit geprägt. Nichts Neues ist also das Erzwungene des Wandels, den die EU der beitrittswilligen Slowakei abverlangt. Legitimiert ist dieser Zwang allerdings durch das Fehlen von Alternativen.
Stabilität aus Mangel an Alternativen – Dzurinda ist nun der erste Regierungschef Ostmitteleuropas seit der Wende, der wiedergewählt wurde. Verdient haben er und seine Regierungskoalition das nicht, denn bei hoher Arbeitslosigkeit und schlechten Staatsfinanzen ist ihr einziger Erfolg das zügige Durchverhandeln des EU-Beitrittskataloges. Eine gesellschaftliche Modernisierung des Landes steht noch aus. Erst wenn sie in Gang kommt, wird sich zeigen, welche Hose um den slowakischen Hintern passt. DIETMAR BARTZ
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