„Den Innenstädten helfen“

Gestern war autofreier Tag. Am Verkehrsproblem ändert das nichts. Dieter Apel vom Verkehrsclub Deutschland (VCD): Flächenverbrauch besteuern und Subventionen für Zersiedelung beenden

taz: Bringen Aktionen wie der autofreie Sonntag gestern in Deutschland überhaupt irgendetwas?

Dieter Apel: Die Menschen machen die Erfahrung, dass man auch ohne Auto unterwegs sein kann. Für viele ist das ja im Alltag gar nicht im Bewusstsein. Aber natürlich wäre dieser Effekt viel größer, wenn die Politik autofreie Tage offensiv unterstützen würde und sie regelmäßig jeden Monat stattfinden würden.

Trotzdem steigt und steigt die Zahl der Autos. Wie könnte der Trend umgedreht werden?

Zum einen darf das Straßennetz schon aus ökonomischen Gründen nicht mehr weiter ausgebaut werden. Unter der rot-grünen Bundesregierung ist der Etat für Bundesstraßen noch einmal hochgefahren worden und hat ein nie dagewesenes Niveau erreicht. Das liegt vor allem daran, dass bei einem immer größeren Straßennetz auch die Kosten für die Reparaturen permanent steigen. Außerdem müsste die Politik Maßnahmen beschließen, damit die Landschaft nicht immer weiter zersiedelt wird und der Verkehr dadurch ständig zunimmt.

Wie soll das gehen?

Neben einer Fortführung der Ökosteuer muss die Entfernungspauschale abgeschafft werden. Sie fördert ja, dass die Leute weit raus aus den Städten ziehen. Ein zusätzlicher Anreiz, dort zu wohnen, sind die vergleichsweise billigen Grundstücke und Mieten. Im Grunde müssten deshalb eher die Menschen subventioniert werden, die in den teuren Stadtzentren leben. Ich schlage vor, dass der Staat die Milliarden für die Entfernungspauschale spart und dafür die Werbungskostenpauschale für alle Arbeitnehmer entsprechend erhöht.

Das allein wird für ein Umsteuern aber nicht reichen.

Richtig. Die Eigenheimzulage ist eine ähnliche Fehlkonstruktion wie die Entfernungspauschale. Wer ein neues Haus baut, bekommt nämlich doppelt so viel Geld vom Staat wie jemand, der ein bereits existierendes Haus erwirbt. Neu gebaut wird aber überwiegend auf der grünen Wiese, weil die Bodenpreise dort viel niedriger sind als in der Stadt. Dabei haben wir in den meisten Städten noch viel Platz für die bauliche Weiterentwicklung zum Beispiel auf ehemaligen Industrie-, Militär- und Bahnflächen und in leer stehenden Wohnblocks.

Dass der Boden in den Städten viel teurer ist, liegt ja an der Nachfrage des Marktes. Was könnte die Politik gegen dieses Preisgefälle tun?

Die Bodenpreise werden durch die derzeitigen wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten bestimmt. Und die sind auf dem Land gegenwärtig so, dass sie den ökologischen, auch die Zukunft mit einbeziehenden Wert des Bodens nicht annähernd widerspiegeln. Boden ist eine nicht vermehrbare Ressource, und in seinem Preis müsste sich deshalb die Knappheit widerspiegeln. Ich schlage daher vor, dass die derzeitige Grunderwerbsteuer von 3,5 Prozent auf den Kaufpreis einer Immobilie – sei es ein Grundstück, ein Haus oder eine Eigentumswohnung – abgeschafft wird.

Stattdessen sollte eine Flächenverbrauchssteuer für neu bebautes Land eingeführt werden. Bei der jetzt anstehenden Reform der Grundsteuer müssten die beanspruchte Bodenflächen und nicht die Gebäude besteuert werden. Auch das würde flächenaufwändige Ansiedlungen im Stadtumland bremsen und der Binnenentwicklung der Städte mehr Chancen einräumen.

INTERVIEW: ANNETTE JENSEN