Solo für Füße

Körper versus Eisen: Die Performerin und Choreografin Maren Strack zeigt heute bei den Berliner Festwochen ihr 25-Minuten-Stück „ICE Lise Meitner“

von JANA SITTNICK

Maren Strack hängt sich, wenn es der Sache der Kunst dient, auch schon mal an ihren langen roten Haaren auf. So wie in „Performance Loops“, letztes Jahr im Münchner Maximiliansforum. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Johan Lorbeer arbeitete sie dort für eine skulpturale Selbstinstallation und gegen die Schwerkraft: Während Lorbeer im orangeroten Müllmanndress aus drei Metern Höhe im 90-Grad-Winkel aus der Wand ragte und als lebendes Arbeitermonument über den Köpfen der Zuschauer schwebte, hing Strack im prachtvollen Pelzkleid an den langen Locken befestigt von der Decke.

„Wir waren an Stahlkonstruktionen befestigt“, sagt Maren Strack, „doch die konnte man nicht sehen.“ Der märchenhaft-illusionistische Impuls, der physikalische Gesetze außer Kraft zu setzen scheint, ist ein Teil des Strack’schen Spiels. Ein Programm gibt es dafür nicht. „Ich gehe vom Bildnerischen aus, das kommt so.“ Die 35 Jahre alte Hamburgerin hat in München Bildende Kunst studiert und 1998 den Leipziger Preis für das beste deutsche Tanzsolo erhalten. Sie arbeitet in München und Berlin „spartenübergreifend“ als Bildhauerin, Performerin und Choreografin.

Mit den tradierten Begriffen des Tanzes will sie ihre Arbeiten allerdings nicht beschreiben. „Bei mir steht die Materialanalyse im Mittelpunkt, nicht die Choreografie“, sagt sie, „das Material muss choreografisch erprobt werden, und das kann ein langer Prozess sein.“ Strack probiert verschiedene Materialien aus, Beton, Latex, Fell, Stahl. Für ihr Tanzsolo „ICE Lise Meitner“ benutzt sie ihren Körper, Eisen und Stahl. Sie schnallt sich geschweißte Eisenkufen unter die Füße, und tanzt auf einem Podest, auf das eine vier Quadratmeter große Stahlplatte geschraubt ist. Maren Strack kämpft mit dem Material: Sie steppt, stampft und hämmert beherzt mit den Kufen auf das Eisen. Ihr 25 Minuten dauernder Kufentanz will sich nur zeigen, nichts erzählen, und er lebt von der Spannung zwischen der schlanken Tänzerin, der Grobheit des Eisens und dem Klang, der durch die Bewegungen hörbar wird. „Seit meinem fünften Lebensjahr bin ich Plattfußschuheinlagenträgerin“, sagt Strack, „seitdem erfinde ich Solos für meine Füße.“

Schuhe mit Drahtbürsten untendran hätte sie sich schon gebaut, mit Klingeln und mit Kokosnüssen. Für „ICE Lise Meitner“ sind es Eisenkufen. Einschränken würden die sie nicht, im Gegenteil, sie könne damit ganz andere Bewegungen ausführen als im Alltag. Der merkwürdige Name des Stückes erinnert übrigens an den gleichnamigen Zug, in dem Strack die Performance konzipierte: „Das Geräusch des fahrenden Zuges hat mich auf die Idee mit dem Eisenklang gebracht und die Spieldauer entspricht der Zeit, die ich fuhr: 25 Minuten.“

„Berliner Festwochen – Seitensprünge“, Performances von Maren Strack, La Ribot und Olga Mesa, Haus der Berliner Festspiele, 20 Uhr, Schaperstraße 24, Wilmersdorf