Vom Wissenschaftler zum Scharfmacher

Moise Lida Kouassi, Verteidigungsminister der Elfenbeinküste, organisiert den „Krieg“ gegen die Rebellen

„Wie durch ein Wunder habe ich überlebt“, berichtete Lida Kouassi, Verteidigungsminister der Elfenbeinküste, gegenüber dem französischen Rundfunk über den jüngsten Putschversuch. Die meuternden Militärs „beschossen mein Haus mit schweren Waffen und wollten mich gefangen nehmen; sie misshandelten meine Frau, damit sie sagt, wo ich mich verstecke. Ich habe alles mitbekommen.“

Die Rache des Ministers war fürchterlich. Die loyalen Streitkräfte der Elfenbeinküste haben hunderte von Menschen umgebracht und tausende in die Flucht getrieben. Prominentestes Opfer war derjenige, den Kouassi zuvor als Drahtzieher des Putschversuches identifiziert hatte: Exdiktator Robert Guei, mit dessen Anhängern in der Armee sich Kouassi in letzter Zeit häufig gestritten hatte. Ebenfalls getötet, aber von den Meuterern, wurde Innenminister Emile Boga Doudou – eigentlich ein Freund Kouassis, aber in letzter Zeit zu seinem Rivalen innerhalb der Regierung avanciert: Boga Doudou hatte durchgesetzt, dass Geheimdienstler aus Frankreich für die persönliche Sicherheit des Staatspräsidenten Laurent Gbagbo sorgen. Nun kursieren Gerüchte, Kouassi nutze die Wirren aus, um sich selbst den Weg an die Macht zu ebnen und Rivalen auszuschalten. Vor kurzem soll er bei einem Besuch in Deutschland gesagt haben, er wolle Präsident werden – allerdings erst 2010, wenn Gbagbos verfassungsgemäße zwei Amtszeiten enden.

Mit Gbagbo verbindet Kouassi eine alte Freundschaft aus den Zeiten, als die heute in der Elfenbeinküste regierende „Ivoirische Volksfront“ (FPI) noch eine Untergrundpartei war und den Sozialismus predigte. Geboren am 7. Januar 1956 in der Stadt Lakota, studierte Kouassi Germanistik und lebte in den 80er-Jahren einige Zeit in Hamburg, wo er seine Doktorarbeit schrieb. Seit dieser Zeit ist er bei der FPI. Er saß in den 90er-Jahren zusammen mit FPI-Führer Gbagbo im Gefängnis und wurde 1996 Verteidigungsbeauftragter der Partei.

Als Gbagbo im Oktober 2000 die Präsidentschaftswahl gewann, wurde Kouassi Verteidigungsminister; er ist außerdem Vizegeneralsekretär der FPI und Abgeordneter für den Wahlkreis Marcory, einen Vorort von Abidjan. Als er dort kürzlich ein neues Wahlkreisbüro eröffnete, kam sogar die Präsidentengattin.

Vertraute schätzen ihn eher als integren Wissenschaftler denn als skrupellosen Politiker ein. Aber Kouassi gehörte zusammen mit Gbagbo und Guei zu einer Gruppe von Politikern, die wegen eines Massakers an Zivilisten nach der Wahl von 2000 eine Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Belgien aufgedrückt bekamen – das Verfahren ist mittlerweile von der belgischen Justiz abgelehnt worden, aber die abschließende juristische Aufarbeitung des Massakers von Yopougon in der Elfenbeinküste steht noch aus.

Der Posten des Verteidigungsministers war sicher nicht einfach direkt nach Gueis Militärherrschaft von 1999–2000, während der zahlreiche rivalisierende Gruppen innerhalb der Streitkräfte um Einfluss gebuhlt hatten. Kouassi agierte immer vorsichtig. Aber jetzt, wo die Machtfrage gestellt wird, tritt er die Flucht nach vorn an. Er setzt klar auf die militärische Lösung gegen alle, die „gegen die Republik“ sind. Mit schlimmen Folgen für den Zusammenhalt eines ohnehin explosiven Landes.

DOMINIC JOHNSON