Nur Berlin bleibt

Für die PDS wird Rot-Rot in Berlin bedeutsamer. Aus der Hauptstadt kommen auch die zwei letzten Abgeordneten

BERLIN taz ■ Die Frage, wie die PDS im neuen Bundestag aussieht, ist leicht zu beantworten. Sie ist ostdeutsch, weiblich, von eher kleiner Statur, um die 40, aus Berlin und wahlweise in Rot oder Blond zu haben. Petra Pau, 39, gewann ihren Wahlkreis in Marzahn-Hellersdorf knapp, Gesine Lötzsch, 41, siegte deutlich in Lichtenberg-Hohenschönhausen. Beides sind am sozialistischen Reißbrett entworfene Plattenbaubezirke, in denen ehemalige Funktionäre, Bürokraten und Lehrer des SED-States leben: So rein wie hier haben sich DDR-Milieus nirgendwo sonst in Ostdeutschland erhalten.

Dies ist ein Ergebnis der Bundestagswahl: Nur die Ewiggestrigen hielten den Sozialisten die Stange. Wo immer die Partei jüngere Wählerschichten ansprechen wollte, scheiterte sie: Der Szenebezirk Prenzlauer Berg stimmte für Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) statt für eine 27-jährige PDS-Studentin. Die Westlinken in Kreuzberg wählten lieber den grünen Kriegsgegner Christian Ströbele als eine Kandidatin der Antikriegspartei PDS.

Diese Niederlagen könnten das Ende bedeuten für eine Strategie, die sich vor allem mit Berlin verbindet. Westberlin hatten die Sozialisten als den Ort auserkoren, an dem sie über die DDR-Grenzen hinaus Relevanz erlangen wollten. Im Senat der Hauptstadt wollten sie demonstrieren, gesamtdeutsch politikfähig zu sein. Kritik an dieser Strategie ließ gestern die frisch gewählte Lötzsch anklingen: Die PDS müsse „mehr den Osten repräsentieren“ und „die Stammwähler so vertreten, wie diese es sich vorstellen“. Tatsächlich sagen immer mehr Mitglieder, dass sie sich ihre PDS im Berliner Senat anders vorgestellt haben.

Zwei von drei roten Senatoren sind Wessis, der Gysi-Nachfolger, Wirtschaftssenator und rot-rote Vordenker Harald Wolf steuert einen „Intelligenzkurs“ (Parteijargon), dem viele „emotional nicht folgen können“. In der Tat sind Einsparungen im Sozialbudget schwer vermittelbar, wenn der Senat zugleich eine Milliardenbürgschaft für die ruinierte landeseigene Bankgesellschaft bewilligt.

Deshalb aus den rot-roten Bündnissen in Berlin und auch in Mecklenburg-Vorpommern auszusteigen, fordern nur marginalisierte Linksaußen. Aber immer mehr einflussreiche Sozialisten sprechen sich für einen schärferen Kurs in Abgrenzung zum Koalitionspartner SPD aus – bis hin zu offener Konfrontation. Lötzsch etwa forderte in der vergangenen Woche intern die Einberufung des Koalitionsausschusses in Berlin, um eine umstrittene Liste mit Sparvorschlägen öffentlichkeitswirksam zu verdammen. Auch Pau, lange Berliner Parteichefin und heute stellvertretende Bundesvorsitzende, schimpfte deutlicher auf die SPD-geführte Finanzverwaltung als ihre unmittelbar verantwortlichen Genossen.

Die Berliner Koalition wird innerparteilich also umstrittener, für die Außenwirkung der PDS aber zugleich wichtiger. Der Senat in der Hauptstadt habe nun eine „Funktion als Bühne“, heißt es intern, die unbedingt erhalten bleiben müsse. Der Berliner Fraktions- und Parteichef Stefan Liebich gibt unentwegt die Parole aus: „Nerven behalten!“ und verweist darauf, dass die Verluste in den ostdeutschen Provinzen teils höher sind als in der früheren Hauptstadt der DDR.

Nach der Niederlage liegt das Schicksal der PDS auf jeden Fall in den Händen von Berlinern. Im rot-roten Senat: männlich und westorientiert. Im Bundestag: weiblich und mit dem Blick nach Osten. ROBIN ALEXANDER