Potsdams eifrige Ermittler

Zwei Jahre ermittelte die Potsdamer Staatsanwaltschaft gegen einen Sprecher der Brandenburgischen Flüchtlingsinitiative. Der Vorwurf: Verleumdung der Polizei. Nach einer Stunde stellte der Richter den Prozess ein

Christopher Nsoh gilt im brandenburgischen Rathenow als Nestbeschmutzer. Der Jurist und Asylbewerber aus Kamerun hatte vor zwei Jahren gemeinsam mit 47 anderen Flüchtlingen ein Memorandum verfasst, das rechte Angriffe und Diskriminierungen anprangerte. Das darauf folgende Interesse der Medien sorgte bis in die Landeshauptstadt Potsdam für Aufsehen – und Verärgerung. Politische Aktivitäten von Asylbewerbern werden im CDU-geführten Innen- und Justizministerium nicht gern gesehen. Das bekam auch Christopher Nsoh zu spüren, der sich als Sprecher der Brandenburger Flüchtlingsinitiative engagiert.

Zwei Jahre lang ermittelte die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen den 33-Jährigen. Der Vorwurf: Verleumdung zu Lasten von zwei Rathenower Polizistinnen. Im August 2000 hatte Nsoh bei einer Pressekonferenz in den Räumen der Rathenower Polizeiwache das Verhalten der beiden Beamtinnen nach einem rassistischen Angriff angeprangert.

Vor dem Amtsgericht Rathenow schilderte Nsoh gestern noch einmal Details: Am Abend des 25. August 2000 war er gemeinsam mit dem britischen Fotografen Justin Jin aus Hongkong und zwei afrikanischen Asylbewerbern auf dem Heimweg zum Flüchtlingswohnheim. Als Jin unvermittelt von einem 21-jährigen Rechten geschlagen wurde, verständigte die Gruppe die Polizei. Strittig blieb, was geschah, nachdem zwei Polizistinnen am Ort des Geschehens eintrafen. Der Fotograf sei ohne Erklärung ins Polizeiauto verfrachtet worden – „im Polizeigriff“ , so Nsoh. Er fügte hinzu, er habe dieselbe Formulierung auch auf der Pressekonferenz im August 2002 verwendet. Demgegenüber hielt die Staatsanwaltschaft daran fest, Nsoh hätte fälschlicherweise behauptet, die Polizeibeamtinnen hätten Justin Jin die Arme auf den Rücken gefesselt und gewaltsam ins Auto gestoßen. Versuche der Staatsanwaltschaft, Nsoh die inkriminierten Äußerung nach zwei Jahren nachzuweisen, scheiterten gestern jedoch schon im Ansatz. Die Videovorführung einer ORB-Aufnahme der umstrittenen Pressekonferenz offenbarte lediglich eine ungenaue Übersetzung von Nsohs Rede. Zwei von Nsohs Begleitern an jenem Abend hatte die Staatsanwaltschaft gar nicht erst als Zeugen geladen. „Das Verfahren ist ein Skandal,“ lautete denn auch der Kommentar von Nsohs Verteidiger Wolfgang Kaleck. Er verwies darauf, dass Staatsanwalt Peter Petersen wegen des gleichen Vorfalls auch schon erfolglos einen Mitarbeiter des Vereins Opferperspektive wegen Beleidigung der Polizei angeklagt hatte. „Aus dem Verfahren gab es Entlastungszeugen für Christopher Nsoh, die die Staatsanwaltschaft dem Gericht einfach vorenthalten hat“, so Kaleck. Er kündigte eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Petersen an.

Amtsrichter Axel Teckenmeyer zeigte sich ebenfalls nicht überzeugt vom Material der Anklage. Er stellte das Verfahren gegen Nsoh ein. Im Übrigen gebe es ein nicht unerhebliches Problem mit Rechtsextremisten in Rathenow, so der Richter in seinem Schlusswort. Und das ließe sich trotz verstärkten Einsatzes von Polizeisondereinheiten nicht schönreden. HEIKE KLEFFNER