Ungewollt verwaist

Anleihen bei Jostein Gaarder, Friedrich Rückert und Gustav Mahler: Die Hamburger Künstlerin Gabriele Westenberger gestaltet im Monsun Theater einen literarisch-musikalischen Abend zum Tabuthema Kindertod

Tod macht sprachlos. Besonders, wenn es sich um Kinder handelt, die als Sinnbild für Unschuld gelten. „Die Leute haben keine Verhaltensweisen parat, wenn sie mit dem Tod konfrontiert werden“, meint auch Gabriele Westenberger. Die Hamburger Künstlerin hat für das Monsun Theater einen Abend konzipiert, der sich mit dem Tabuthema beschäftigt.

Die Inszenierung ist der Versuch einer Auseinandersetzung mit dem Kindertod aus Sicht der Eltern und aus der des Kindes. Den Titel Durch einen Spiegel in einem dunklen Worte hat Westenberger dem gleichnamigen Buch von Jostein Gaarder entliehen. Der norwegische Autor, seit seinem Roman Sofies Welt für philosophischen Tiefsinn berühmt, hat darin die Reflexionen eines todkranken Kindes beschrieben. Hauptfigur ist das krebskranke Mädchen Cecilie, das langsam Abschied nimmt von ihrer nicht mehr heilen Kinderwelt. Am Weihnachtsabend, den sie schon vom Krankenlager aus als Außenseiterin erlebt, erscheint Cecilie ein Engel. Zwischen beiden entspinnt sich ein Dialog über die Geheimnisse dieser Welt. „Ihr seht alles durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort ...“, erklärt der Engel. Ursprünglich stammt das Zitat aus dem Neuen Testament und birgt auch dort mit der Hoffnung auf Erkenntnis nach dem Tod.

An Gaarders Roman interessiert Westenberger vor allem die Sichtweise des Kindes. Auszüge aus dem Roman bilden daher auch einen Teil des Theaterabends. Er stellt das Pendant dar zur Sicht der Eltern und ihrer Gedanken und Gefühle. Diese Perspektive der Zurückbleibenden beleuchtet Gabriele Westenberger mit Texten von Friedrich und Luise Rückert. Beide verloren im Winter 1833/34 ihre Kinder kurz nacheinander durch Scharlach. „In der darauf folgenden Zeit schrieb Friedrich Rückert nahezu 500 Gedichte, in denen er sich mit dem Tod seiner Kinder tagebuchartig auseinander setzte“, sagt Westenberger.

Fünf dieser Kindertotenlieder wurden später von Gustav Mahler vertont. Mezzosopranistin Westenberger wird diese Lieder singen und den szenischen Abend musikalisch anreichern. Die Schauspielerin Martina Schiesser wird Gedichte und Tagebuchaufzeichungen von Friedrich und Luise Rückert lesen, Duygu Keskin aus dem Roman von Gaarder rezitieren.

Der Abend ist auch zur Unterstützung des Vereins der „Verwaisten Eltern Hamburg e.V“ gedacht, für die im Verlauf der Veranstaltung gesammelt wird.

CHRISTIAN RUBINSTEIN

Premiere: Donnerstag, 26. September; nächste Aufführung: 29. September, jeweils 20 Uhr, Monsun Theater, Friedensallee 20