Finger weg vom Misserfolg

Der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) zieht sich aus dem Präsidium der Bayern-SPD zurück

Es ist fast wie in der alten Geschichte vom König Midas: Alles, was jener anfasste, wurde zu Gold. Ähnliche Fähigkeiten möchte man auch dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude zuschreiben.

Seit neun Jahren regiert er unangefochten die bayerische Landeshauptstadt München, zuletzt wiedergewählt mit einem stoiberesken Wahlergebnis von 64,5 Prozent. Er sitzt bei Alfred Biolek und berichtet unter Beifall, wie er als Student seine spätere Frau ihrem ersten Mann ausgespannt und die sechs Kinder gleich mit übernommen hat. Er betätigt sich als Kabarettist. Jedes Jahr zapft er bei der Eröffnung des Oktoberfestes das erste Bierfass an – und vollbringt damit eine kultische Handlung, die ihm einen Platz tief in der bayerischen Seele sichert. Sein Parodist Ulli Bauer tritt erfolgreich als singender Ude in Karl Moiks Musikantenstadl auf. Kurz: Christian Ude ist die einsame populäre Gestalt der bayerischen Sozialdemokratie. Spätestens seit dem Rückzug von Renate Schmidt gibt es im südlichen Freistaat außer ihm keine politische Figur mehr, die Heimatverbundenheit, Volksnähe, politisches Geschick, Erfolg und ein rotes Parteibuch vereinen würde. Jedenfalls keine, die man kennt.

Ja, der Ude ist schon ein wahres Goldkind. So dachten es sich die führenden Köpfe der SPD in Bayern wohl auch. Ihre Namen tun hier nichts zur Sache, denn sie haben weder Macht noch Einfluss noch Bedeutung noch Zukunft. Immerhin: Sie hatten einen Traum. Und in diesem Traum saß Christian Ude mit ihnen im Präsidium der bayerischen Sozialdemokraten, und plötzlich war es gar nicht mehr so trist am Präsidiumstisch. Wenn Ude eine Wahl anpackt, dann wird sie, dann muss sie doch ein goldenes Ergebnis zeitigen! Also baten sie ihn, und er kam. Nach langem Zögern.

Keine zwei Jahre wohnte Christian Ude dem SPD-Präsidium bei. Bei der jüngsten Bundestagswahl holten die bayerischen Sozis nun gerade mal 26,1 Prozent, und das ist selbst für die regelmäßig hart geprüften bayerischen Sozis ein sehr mageres Ergebnis.

Nun verlässt Ude das Präsidium wieder. Wie es heißt, weil seinen Ratschlägen nicht genügend Gehör geschenkt worden sei. Weil junge Talente zu wenig gefördert worden seien. „Als Grüß-Gott-Direktor stehe ich nicht zur Verfügung“, hat er gesagt. Dass ein kleinlicher Präsidiumskollege, einer von jenen Namenlosen, nun mit statistischen Schaubildern über Udes Anwesenheit bei den Sitzungen wedelt, wird des Münchner Monarchen Laune nicht gerade gehoben haben. Ratschläge, Talente, Statistik hin oder her: Udes Abgang hat nur einen einzigen Grund.

Beim König Midas war es so: Alles wurde zu Gold, und das war bald ganz schrecklich, weil der arme Midas sich nichts mehr in den Mund stecken konnte, es sei denn, er wollte Gold essen. Christian Ude hingegen weiß ganz genau, dass er keine magischen Kräfte hat (und die bräuchte er, um der Bayern-SPD zum Erfolg zu verhelfen). Also lässt er seine Finger tunlichst von solchen Dingen, die alles andere als Gold zu werden versprechen. Als Kommunalpolitiker kann er zudem leichter als bisher auf die miserable finanzielle Ausstattung der Gemeinden verweisen – ein Missstand, den anzuprangern es Ude schwer hatte, solange er noch Wahlhelfer mit hervorgehobenem Parteiamt war.

STEFAN KUZMANY