Die gute, alte Stulle lebt

Zum vierten Tag des Butterbrots werden heute 150.000 Brote geschmiert, um neue Fans zu gewinnen. Über den gesundheitlichen Wert streiten Ernährungsexperten jedoch

BERLIN taz ■ „Butterbrot ist tot“, hieß es im April auf großen McDonald’s-Plakaten. Zu sehen war ein mit Schinken, Käse und Salat belegter Bagel, der das deutsche Butterbrot ersetzten sollte. Kaum hing die Werbung, hagelte es wütenden Protest von Verbraucherschützern und Bäckern. „Die Aussage ‚Butterbrot ist tot‘ ist nicht nur falsch, sondern auch geschmacklos“, beschwerte sich der Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks. Kurze Zeit später stellte McDonald’s die Kampagne wieder ein: Die Butterbrotlobby hatte gesiegt.

Jetzt geht der Wetbewerb zwischen Fastfood und Esskultur in die nächste Runde: 150.000 Butterbrote sollen am heutigen vierten „Tag des Butterbrotes“ geschmiert werden. Die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft will an bundesweit 15 Bahnhöfen mit Musik, Animation und vor allem kostenlosen Broten die gesunde Stulle feiern.

Autor und Lebensmittelchemiker Udo Pollmer hält das für übertrieben: „Nach den Maßstäben der Ernährungswissenschaft unterscheiden sich eine Portion Pommes und ein Butterbrot nicht.“ Beide hätten die gleiche Menge an Kalorien, Fett und Kohlehydraten. Dem widerspricht Isabelle Keller von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung: Bei einem Vollkornbrot, das dünn mit Butter bestrichen und mit Käse und Radieschen belegt sei, seien in jedem Fall mehr Nährstoffe gebündelt als in einer Portion Pommes.

Taugt das Butterbrot also zur Rettung der Gesundheit der Kinder? Immerhin 98 Prozent der 8- bis 12-jährigen Schüler nehmen laut Ernährungsbericht 2000 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ein Frühstuck in Form eines Butterbrots mit in die Schule. Grund zur Beruhigung sei diese Statistik nicht, so Keller. Übergewicht sei bei Kindern ein zentrales Problem. Laut einer Studie des WHO-Monica-Projektes, an der auch die DGE beteiligt ist, sind in Deutschland jedes fünfte Kind und jeder dritte Jugendliche übergewichtig – am häufigsten Kinder „dicker Eltern“ und von Eltern mit Hauptschulabschluss.

Zum Problem wird falsche Ernährung oft an Schulen, wo Schüler an Kiosken Gebäckstücke und Süßigkeiten mit zu viel Fett und Zucker kaufen können. „Ein Problem ist oft die Tradition, dass Schulkioske von Hausmeisterpaaren geführt werden, die Verträge mit Händlern haben“, meint Robert Schaller, Ernährungswissenschaftler im Verbraucherministerium. Weil Schule Ländersache ist, habe sein Ministerium hier keine direkten Handlungsmöglichkeiten.

Eine gute Idee sei aber eine Maßnahme in Schleswig-Holstein: Hier legt der so genannte Müsli-Erlass eine gesundheitsförderliche Pausenverpflegung fest: Er verbietet den Verkauf von Süßigkeiten in der Schule. „Das sollte ein Vorbild für andere Bundesländer sein“, fordert Schaller. Also doch mehr Butterbrot für alle? Im Internet hat man die Zeichen der Zeit erkannt: Unter www.butterbrot.de findet man eine Stullenhomepage mit Butterbrotgalerie und Chatforum, in dem Butterbrotfans Rezepte austauschen können. SILVAN NIEDERMEIER