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CDU will den Gürtel weiter schnallen

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Eckhoff will, dass die Diäten im Wahljahr 2003 wieder steigen. Dafür muss die unabhängige Diätenkommission abgeschafft werden. SPD-Koalitionskollege Jens Böhrnsen: „Eckhoff ist von allen guten Geistern verlassen“

Es wäre unappetitlich, die Diäten zu erhöhen, während Stahl- und Werftbeschäftigte um ihren Arbeitsplatz zittern

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Eckhoff ist offenbar stinksauer. Am Freitag ist er nach Südafrika in Urlaub gefahren, am Donnerstag hat er noch schnell eine kleine Bombe in die Post getan – unangenehme Nachfragen erspart man sich auf diese Weise. Thema des Briefes an den Bürgerschaftspräsidenten: Eine Diätenerhöhung von mehr als 15 Prozent ist erforderlich. Die Diätenkommission solle sich gefälligst „angemessen und sachgerecht“ mit dieser Forderung auseinandersetzen. Und dann bekommt die Diätenkommission schnell noch einen vor den Koffer: „Die Kommission unter Vorsitz von Herrn Kuhlmann hat sich in ihren Stellungnahmen mit keinem Wort mit den Auswirkungen der Parlamentsverkleinerung und dem damit für die verbleibenden Abgeordneten erhöhten Arbeitsaufwand auseinander gesetzt.“

Immerhin sitzen in der Diätenkommission der Bürgerschaft neben „Herrn Kuhlmann“ so honorige und keinesfalls CDU-ferne Männer wie der Bremer Unternehmensverteter Manfred Ahlsdorff oder der Präses der Handelskammer, Dirk Plump. Vorsitzender der vom Parlament eingesetzten Kommission ist der ehemalige Verwaltungsgerichts-Präsident Alfred Kuhlmann. Der läßt sich durch den Eckhoff-Brief überhaupt nicht aus der Bahn werfen: „Mit jedem Tag, den ich älter werde, werde ich unabhängiger“, sagt Kuhlmann spitz.

Er versteht den Brief so, dass Eckhoff im Grunde die Kommission beseitigen will. Denn noch im Juli hatte die Diätenkommission ihren diesjährigen Bericht vorgelegt und eine Anhebung der Diäten um 1,59 Prozent vorgeschlagen. Das Parlament hatte dies einstimmig so beschlossen. Die Kommission errechnet einen präzisen Durchschnitt verschiedener Einkommens-Kennziffern der alten Bundesländer, inklusive der Arbeitslosenhilfe, die um 0,46 Prozent gesunken ist. „Wenn wir die deutschen Durchschnittswerte nehmen würden – mit den neuen Ländern – würde es ungünstiger für die Abgeordneten“, sagt Kuhlmann.

Ärgerlich ist Kuhlmann über das Argument von Eckhoff, die Kommission habe die Mehrbelastung durch die für 2003 geplante Verkleinerung des Parlaments von 100 auf 83 Abgeordnete nicht berücksichtigt. Im Dezember hat die Kommission dazu Bericht vorgelegt: Die Verkleinerung des Parlaments war begründet worden mit dem Ziel, zu sparen, sagt Kuhlmann. Der Gedanke, aus dem Bremer Halbtags-Parlament ein Fulltime-Parlament zu machen, war von der Bürgerschaft verworfen worden. Berücksichtigt man das Halbtags-Prinzip, dann steht Bremen auf Platz 6 der Länderliste mit der Höhe seiner Diäten. Hamburger Bürgerschaft und Berliner Abgeordnetenhaus sind sogar nur „Feierabendparlamente“.

Nicht entscheidend ist für die unabhängige Kommission der politische Hintergrund des Eckhoff-Vorstoßes. Während der Koalitionsverhandlungen 1999 war eine „Nebenabrede“ in das Zimmer der Verhandler hineingereicht worden, also ein Punkt, der nicht im offiziellen Koalitions-Programm auftauchen sollte: kräftige Diätenerhöhung. Die alten Fraktionsvorsitzenden Christian Weber und Ronald-Mike Neumeyer hatten das verabredet. Eckhoff insistiert auf dieser Geheimabsprache, aber der SPD-Fraktionsvorsitzende erkennt das Papier nicht an. Er sagt, er habe das damals nicht zur Kenntnis genommen und hätte nie zugestimmt. Da sich Eckhoff nicht mit Böhrnsen einigen konnte, erinnert er mit dem Brief Christian Weber an dessen damalige Zusage, aber Weber ist inzwischen Parlamentspräsident.

„Mit uns wird es keine Diätenerhöhung in Gutsherrenmanier geben“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende und stellt sich hinter die Diätenkommission. Deren Vorschläge wurden seit ihrer Einsetzung 1982 immer kommentarlos übernommen, weil die politische Funktion der Kommission eher die Rechtfertigung einer Diätenerhöhung war. „Man kann doch nicht die Kommission in Rambo-Manier einfach abschaffen oder neu besetzen, nur weil dem CDU-Fraktionsvorsitzenden die Empfehlungen nicht ausreichen. Das ist wohl keinem Bürger zu vermitteln.“ Böhrnsen findet den Eckhoff-Vorstoß geradezu „unappetitlich“ zu einem Zeitpunkt, an dem Stahlarbeiter und Werftbeschäftigte „um ihren Arbeitsplatz zittern“.

Auch die grüne Fraktions-Vorsitzende Karoline Linnert hält es für falsch und „politisch instinktlos“, die Verkleinerung des Parlaments mit einer satten Diätenerhöhung zu verknüpfen. „Die Verkleinerung des Parlaments wurde beschlossen, um die Kosten der politischen Führung zu senken. Man kann nicht immer `Sparen Sparen Sparen` predigen und sich selbst davon ausnehmen. Die Bürgerschaft wollte damit beweisen, dass sie auch bei sich selbst sparen will und kann. Die Politik macht sich völlig unglaubwürdig, wenn der beabsichtigte Spareffekt durch höhere Diäten nicht zustande käme.“ K.W.

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