Kahlschlag pur

Bei Mobilcom geht fast jeder zweite Arbeitsplatz verloren, über einen Schuldenerlass wird noch verhandelt

HAMBURG rtr/taz ■ Der angeschlagene Mobilfunkanbieter Mobilcom wird fast jeden zweiten Arbeitsplatz streichen. Das Sanierungskonzept sehe vor, rund 1.850 Stellen abzubauen, hieß es gestern in einer Pressemitteilung des Vorstandes. Damit will das Unternehmen im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf 130 Millionen Euro an jährlichen Ausgaben einsparen.

Gegenwärtig beschäftigt Mobilcom insgesamt 5.000 Arbeitnehmer, einschließlich Teilzeit- und Aushilfskräften. Das entspricht etwa 4.200 Vollzeitstellen. Demnach gehen 44 Prozent der Arbeitsplätze auf einen Schlag verloren.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) bezeichnete in einer ersten Stellungnahme die Kündigungswelle als „alamierend“ und beschuldigte indirekt die Medien, durch ihre Berichterstattung über die Krise bei Mobilcom dem Unternehmen mehr geschadet zu haben, als nötig gewesen sei. Die Landesregierung werde jedoch ihre Zusagen einhalten, bei der Sanierung „Hilfe zu leisten“.

Mobilcom-Beschäftigte reagierten wenig überrascht auf die Sanierungspläne. „Dass etwas passieren musste, war uns klar“, sagte ein Mitarbeiter gegenüber dem NDR. Mit einem großen Widerstand bei der Belegschaft sei nicht zu rechnen. „Viele Berufsanfänger wurden für den UMTS-Aufbau eingestellt, die meisten hatten nur befristete Verträge, die jetzt auslaufen.“ Ein Vertreter der IG Metall äußerte sich verärgert über die rasche Veröffentlichung der Sanierungspläne. Die Geschäftsleitung habe die Mitteilung über den Stellenabbau gleich zu Beginn der Beratungen mit den Belegschaftsvertretern herausgegeben. „Die Arbeitnehmer wurden völlig überrollt“, so der Gewerkschaftsvertreter.

Zeitgleich sickerte gestern durch, dass Mobilcom einen Zahlungsaufschub für am kommenden Montag fällige Milliardenkredite bekommen habe. „Die Frist bis zum 30. September, die bereits vom 31. Juli verlängert war, wurde für einen weiteren Monat verlängert“, heiß es nach Informationen des NDR aus Verhandlungskreisen.

Damit erhält der von der Bundesregierung als Vermittler eingesetzte frühere Thyssen-Chef Dieter Vogel mehr Zeit, um beim Mobilcom-Mitbesitzer France Télécom einen Kompromiss über Schuldenerlass und Schadenersatz auszuhandeln. Die Banken geben sich den gleichen Informanten zufolge zuversichtlich, dass der französische Telekommunikationsriese die auf Mobilcom lastenden Kredite zum Erwerb deutscher UMTS-Lizenzen in Höhe von 4,7 Milliarden Euro übernehmen werde. HOF