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press-schlagÜber einen samstäglichen Frust, den nicht einmal Pflaumen-Zimt-Kuchen bekämpfen kann

Aber bitte mit Sahne

Habe zur Konferenzschaltung am siebten Spieltag Pflaumen-Zimt-Kuchen und Sahne (ungeschlagen) mitgebracht. Während ich sie schlage, schlägt andersorts das Schicksal zu, beziehungsweise Bielefeld schlägt Schalke 2:1 und Dortmund Mönchengladbach 1:0. So sitzen wir beim Kuchenessen schweigend wie Oliver Barrett und sein autoritärer Vater in „Love Story“ am Tisch. Im Hintergrund schreien die ModeratorInnen und wir versuchen, unsere Gabeln geräuschlos über das Porzellan gleiten zu lassen.

Nach den Spielen haben wir uns so eingeschwiegen, dass wir gar nicht wieder mit Reden anfangen wollen – was gibt es auch zu sagen? Der Gastgeber rollt sich still Zigaretten und seufzt, während in München Handball gegen Hertha gespielt wird. „Ich habe ein kleines Problem mit Hertha“, sage ich, um das Eis zu brechen, „ich mochte Huub Stevens, mein bester Freund findet ihn sogar attraktiv, aber man kann doch jetzt nicht plötzlich eine Mannschaft mögen, weil einem der neue Trainer gefällt!“ „Der ist unten durch“, sagt der Gastgeber und fixiert grimmig den Aschenbecher, „der kann doch nicht aus Gelsenkirchen weggehen, nur weil seine Frau sich langweilt.“

Ich würde mich in Gelsenkirchen nie langweilen. Man kann dort doch so gut Nahverkehrsnetz fahren. Was macht denn Frau Stevens, wenn sie schön von Theater zu Theater jettet, aber der olle Berliner Nachtbus wieder nicht kommt? Na, also. Mein Gastgeber will nicht über Gelsenkirchen reden. Er will überhaupt nicht reden. Ich gehe aber nicht, so lange noch Kuchen da ist. „Bayern hat verloren, immerhin!“ sage ich, um ihn aufzuheitern, und schiebe gleich ein „Hihi …“ hinterher. Nichts zu machen. „Und deine Mannschaft hat gestern doch 5 zu 2 gewonnen“, sage ich. Aber der Gastgeber guckt, als ob sein Hildegard-von-Bingen-Kopfkissen mit Dinkelfüllung aufgegangen sei und er keinen Staubsauger hätte. „Hör mir bloß auf mit St. Pauli“, sagt er und pustet Rauch aus wie eine Wolkenfabrik, „was ist denn das für eine Art, erst absteigen und dann auch noch in der zweiten Liga so weit unten herumzudümpeln, dass man sich den Hals verrenkt, wenn man sie in der Tabelle sucht?“

„Es gibt auch Hobbies, die einen aufmuntern“, schlage ich vorsichtig vor, „wenn man bei einer Plattenbörse so eine richtig schöne Platte findet, die man schon ganz lange gesucht hat, zum Beispiel.“ – „Ja, und wenn die dann zerkratzt ist“, sagt der Gastgeber finster. Also, ich gehe jetzt. Morgen zu den Sonntagsspielen bringe ich gleich Bier mit. Alles andere ist eh zwecklos. JENNI ZYLKA

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