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: Morbider Exitus Triumphalis

„Der St. Pauli-Killer“ (Mo., 21.45 Uhr, ARD)

Für Gitta Berger hatte Werner Pinzner eine besondere Aufgabe: „Und du guckst zu“, herrschte er am 29. Juli 1986 die Hamburger Kripo-Protokollantin an. Pinzner – für die Boulevard-Presse der „St. Pauli Killer“ – sollte die Auftraggeber seiner acht Morde preisgeben. Plötzlich jedoch hatte er eine Waffe in der Hand. Tötete den Staatsanwalt, seine eigene Frau, die die Pistole ins Präsidium geschmuggelt hatte, sich selbst. Und Gitta Berger sah zu.

Die Augenzeugin um ein Interview zu bitten, sagt Filmemacherin Danuta Harrich-Zandberg, habe sie sich lange Zeit nicht getraut. Es ist das erste Mal, dass Berger öffentlich von der Bluttat berichtet.

In vielen anderen Szenen haben Harrich-Zandberg und ihr Co-Autor Walter Harrich zuvor vergeblich versucht, mit nackter Haut und harter Musik Kiez-Atmosphäre zu erzeugen. Pinzner erscheint als skrupelloser Drogensüchtiger auf der Suche nach Anerkennung im Rotlicht-Milieu. Dort habe man ihn gefürchtet, aber nicht respektiert, wird aus dem Off erzählt.

Das Gespräch mit Berger dagegen ist ohne künstliche Geschmacksverstärker so eindringlich, dass einige Sequenzen gleich zweimal in den Film geschnitten wurden.

Für die Hamburger SPD bedeuteten die Schüsse im Polizeipräsidium damals ein Image-Desaster. Gleich zwei Spitzenpolitiker – die Justizsenatorin und der Innensenator – mussten zurücktreten.

Mit der NDR-Produktion „Der St. Pauli Killer“ eröffnet die ARD ihre dritte Staffel der „großen Kriminalfälle“. Von den gesellschaftlichen Umständen, nicht allein den Verbrechen, sollen alle fünf Folgen handeln. In der heutigen ersten geht es somit auch um das St. Pauli der Achtzigerjahre, als die Zuhälter das Geschäft mit harten Drogen für sich entdeckten. Gleichzeitig blickt der Film auf eine Hamburger Presse, die bald nicht mehr nur über den Auftragsmörder berichtete, sondern seine Aussagen regelrecht vermarktete.

Im Gegenzug benutzte Pinzner die Medien für seinen „Exitus Triumphalis“: Mit diesem Ausdruck hatte seine Frau Jutta einem Journalisten „den großen Abgang“ im Vorfeld angekündigt. MATHIAS WÖBKING