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Regelwerk für eine Pleite

IWF und Weltbank stellen die Weichen in Richtung internationales Insolvenzrecht. Endgültiges Abkommen noch in weiter Ferne

aus Washington NICOLA LIEBERT

Die Wall Street und die großen Geschäftsbanken sind mit ihrem massiven Widerstand gegen ein bindendes Insolvenzrecht für Staaten erst einmal gegen die Wand gefahren. Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank haben auf ihrer Herbsttagung in Washington offiziell beschlossen, die Einrichtung eines internationalen Konkursgerichts voranzutreiben. „Das füllt eine große Lücke in der bisherigen globalen Finanzarchitektur“, lobte IWF-Chef Horst Köhler. Die Finanzminister der G7, der sieben größten Wirtschaftsmächte, die stets vor Beginn der Jahrestagungen von IWF und Weltbank die Weichen stellen, erklärten in ihrem Kommuniqué: „Wir freuen uns darauf, auf der nächsten Frühjahrstagung einen konkreten Vorschlag zu besprechen.“ Die faktische Zahlungsunfähigkeit Argentiniens, die die Mangelhaftigkeit der bisherigen Krisenbekämpfung einmal mehr bewiesen hat, dürfte ein maßgeblicher Grund für den Beschluss sein.

Der von IWF-Vizechefin Anne Krueger ausgearbeitete – und inzwischen gegenüber ursprünglichen Ideen schon abgemilderte – Plan sieht vor, dass künftig im Fall der Zahlungsunfähigkeit eines Landes eine Umschuldung mit qualifizierter Mehrheit der Gläubiger möglich sein soll. Für die Dauer der im Allgemeinen extrem langwierigen Verhandlungen soll das betroffene Land vor juristischen Schritten einzelner Gläubiger geschützt werden.

Ann-Kathrin Schneider von der entwicklungspolitischen Organisation Weed sieht einen weiteren Vorteil eines internationalen Insolvenzrechts. Riesige Hilfspakete wie die 30 Milliarden Dollar für Brasilien, die der IWF künftig nach Möglichkeit sowieso nicht mehr vergeben will, wären dann nicht mehr nötig.

Da für die Umsetzung des Insolvenzplans jedoch eine Satzungsänderung des IWF nötig ist, die nur mit mindestens 85 Prozent der Stimmen beschlossen werden kann, ist mit einer schnellen Umsetzung nicht zu rechnen. Nicht einmal die Entwicklungsländer wagen es bislang, den Plan rundheraus zu unterstützen. Viele von ihnen fürchten, dass sich die Banken und Investoren aus den Industrieländern dann sicherheitshalber gar nicht mehr in den Ländern des Südens engagieren, um nicht Gefahr zu laufen, vor einem Insolvenzgericht zu enden.

Doch selbst die USA, die sich zunächst gegen eine völkerrechtlich bindende Lösung ausgesprochen hatten, stellten sich jetzt hinter den Plan. Allerdings setzten sie durch, dass auch die von den Banken vorgezogene „marktkonforme“ Strategie weiter verfolgt wird. Hier geht es um so genannte Mehrheitsklauseln, die an Staatsanleihen angehängt werden sollen und in denen sich die Käufer dazu verpflichten, sich im Falle von Umschuldungen Mehrheitsvoten zu beugen. Im Unterschied zu dem geplanten Insolvenzrecht werden damit aber nur künftige Anleihen und nicht die bisherigen Schulden erfasst. Zudem, warnte IWF-Vizechefin Krueger, werden sich dadurch aller Wahrscheinlichkeit nach die Kosten für die Schuldner erhöhen, denn die Gläubiger dürften sich das Zugeständnis durchaus bezahlen lassen.

IWF und Weltbank versuchen unterdessen – nicht zuletzt auf Druck von entwicklungspolitischen Organisationen – die Debatte über das Thema Finanzhilfen hinauszubringen. Sie fordern die Industrieländer auf, ihre Märkte stärker für Waren aus Entwicklungsländern zu öffnen und die marktverzerrenden Subventionen vor allem im Agrarbereich abzuschaffen. Der Chefökonom der Bank, Nick Stern, kritisiert die Haltung des Nordens, der allein vom Süden Marktöffnung fordert, als heuchlerisch. Würden Handelshemmnissen für die Produkte aus Entwicklungsländern abgeschafft, könnten diese Länder mit Mehreinnahmen von bis zu 620 Milliarden Dollar jährlich rechnen, rund zehnmal so viel wie die gesamte weltweite Entwicklungshilfe. Allerdings ist das internationale Finanzsystem so gestaltet, dass weder Weltbank noch IWF irgendwelche Handhabe gegen Gläubigerländer haben. Immerhin räumte auch der deutsche Finanzstaatssekretär Koch-Weser nach der Sitzung der G-7-Finanzminister ein, die EU müsse unbedingt ihre gemeinsame Agrarpolitik reformieren, „nicht nur wegen der geplanten Osterweiterung, sondern auch, um einen globalen Beitrag zu leisten“.

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