Alle sind stolz

Maccabi Haifa erwartet heute Abend Bayer Leverkusen zur Champions League – und fühlt sich dabei wie im Film

HAIFA taz ■ Zwei Sicherheitsleute stehen vor dem großen, elektrisch gesicherten Tor, beide tragen Pistolen und Sonnenbrillen. „Nein, hier sind Sie falsch. Wir machen hier Milch“, sagt der eine. „Sie müssen da lang.“ Er zeigt auf einen ungeteerten Weg, der mitten durch eine Bananenplantage führt. An Kühen und Bananen vorbei holpert das Auto durchs Dickicht, dann kommt man an eine Lichtung – und zu einem penibel gepflegten Rasenplatz. Es ist schön hier, man kann das Meer sehen. Es ist das Trainingszentrum von Maccabi Haifa.

Es ist die Woche vor dem ersten Champions-League-Spiel des Vereins gegen Manchester United. Kein israelischer Verein hat es bis jetzt in die Königsklasse Europas geschafft, dementsprechend grenzenlos ist die Euphorie. „Ich bin happy, die Spieler sind stolz, der Club ist stolz, das Land ist stolz“, sagt Trainer Itzchak Shum in seinem winzigen Büro. Der 53-Jährige hat Israels größten und beliebtesten Verein in seiner ersten Saison zu seinem größten Erfolg geführt.

Draußen stehen zehn Journalisten und ein Kamerateam von ManU-TV und machen viel Lärm. Einige Spieler haben halbherzig mit einem Streik gedroht, weil es keine Prämie für das Erreichen der Champions League geben soll, außerdem ist heute Anprobe für den feinen Clubanzug, der speziell für die Champions League entworfen wurde. „So was haben wir bisher nicht gebraucht“, erklärt die Pressesprecherin. Nicht mal die Kabinettsmitglieder tragen Krawatte, wegen der Hitze. Auch beim fünfmaligen Meister, der seit der Übernahme von Volvo- und Honda-Importeur Jacob Shahar vor zehn Jahren als der am professionellsten geführte Club des Landes gilt, hat man für Konventionen nicht viel übrig. Interviews mit den Spielern finden direkt in der Kabine statt, die gleichzeitig als Fitnessraum fungiert.

Arik Benado, der Kapitän, sitzt mit Eispack auf dem Oberschenkel auf der Bank und sagt: „Ich erinnere mich, dass ich zu Giovanni oft gesagt habe: Hey, heute Abend kommt Manchester gegen Real im Fernsehen. Jetzt spielen wir auf einmal in diesem Film mit.“ Giovanni Rosso lacht. „Mit ein bisschen Glück werden wir hinter Manchester Zweiter. Ehrlich. Leverkusen wird nur Vierter, die sind nach dem Weggang von Ballack und Ze Roberto nicht mehr so stark.“ Letzteres weiß er von Jörg Wontorra – ran läuft auch in Israel.

In Israel ist Rosso, ein technisch versierter Mann im offensiven Mittelfeld, so beliebt, dass Fans den Innenminister dazu bewegen wollen, ihm die Staatsbürgerschaft zu geben. Dann könnte er in der Nationalmannschaft spielen. „Ich würde das gerne machen, ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt er.

Der Uefa war die Sicherheitssituation im Land weniger geheuer, weshalb alle Heimspiele von den „Grünen“ in Nikosias GSP-Stadion stattfinden. 5.000 Israelis reisten letzte Woche mit nach Zypern und konnten dort den überraschenden 3:0-Sieg gegen Olympiakos feiern und den Hattrick von Yakubu Ayegbeni, dem 19-jährige Stürmerstar aus Nigeria. Heute Abend, wenn es gegen Bayer (20.45 Uhr) plötzlich tatsächlich um Platz zwei in der Gruppe geht, werden allerdings weniger Fans dabei sein: Viele von ihnen sparen schon für das Spiel gegen Manchester United.

Die Begegnung mit einem deutschen Team ist für Trainer Shum nichts Besonderes. „Die Geschichte spielt keine Rolle“, winkt er ab. „Es geht um die Punkte.“ Und für viele seiner Spieler um noch mehr: Beobachter vieler europäischer Top-Clubs werden den enorm talentierten Ayegbeni und seinen Landsmann, den Innenverteidiger Eric Ejiofor, genauer unter die Lupe nehmen. Stürmer Yaniv Katan, 21, der als der beste Nachwuchsspieler des Landes gilt, soll ebenfalls bald teuer verkauft werden. Maccabi wird den Erlös wie immer clever reinvestieren und seine Vormachtstellung im Land ausbauen. „Was Europa angeht“, sagt Benado, „reicht es uns schon, mitspielen zu dürfen.“

RAPHAEL HONIGSTEIN