Jesus bleibt leider unsichtbar

Noch ist das Programm öde und leer, doch die Bibel-TV-Macher suchen himmlische Töne

Bibel-TV kommt schnell auf den Punkt: „Seid ihr ’ne Girlygroup oder ’ne Boyband, spielt HipHop und wollt ins Fernsehen, na dann seid ihr bei uns richtig, bei uns in Bibel-TV.“ Schnappt einfach einen Camcorder, so die weitere Aufforderung des TV-Clips, dreht ein Video, schickt uns die Kassette – und schon seid ihr auf Sendung. Kleiner, aber feiner Zusatz: „Wenn ihr christlich seid.“

Das jüngste Fernsehkind am deutschen Digitalhimmel sucht offenbar fieberhaft nach Sakropop, um das bislang zu besichtigende öde Testprogramm aus Predigten, Bibelstunden und Jesusfilmen aufzuheitern.

Heute, sechs Uhr früh, geht es zum ersten Mal auf die himmlische Vollsendung, rund um die Uhr. Bibel-TV ist der erste deutschsprachige Religionskanal und sogar europaweit zu empfangen – vorausgesetzt, man hat einen Digitalreceiver. Mit mehreren hunderttausend Zuschauern rechnen die Fernsehmacher unter der Regie des Ex-ARD-Tagesthemenchefs Henning Röhl auf jeden Fall, „wenn alles läuft, ist künftig auch ein Millionenpublikum drin“. Zum Vergleich: Das wäre die durchschnittliche Quote der „Harald Schmitt Show“.

Neu ist das Konzept von Bibel-TV nun keineswegs, eher der Abklatsch amerikanischer Bibelsender, eins zu eins kopiert und ins Deutsche übersetzt. Auch der Programmplan bleibt äußerst simpel. Gebet, Bibelstunde, Gebet, Jesus’ Leben, wieder Gebet – alles im Halbstundentakt, und dann mal zur Abwechslung eine Call-in-Runde. Die meisten Programmplätze tragen englische Titel wie „One Cubed“ oder „Altar Net Experiment“ und covern die US-Erweckungsshows. Die handelnden Personen und Wanderprediger, die der Sender vorerst verpflichtete, kommen fast alle aus Übersee. Für diese Woche angekündigt sind „The Supertones“ und die „Smalltown Poets“. John Michael Talbot wird predigen, ein Adrian Snell die Bibel interpretieren. Aus Deutschland selbst haben Pastor Otto und der Sylter Kirchenmann Traugott Giesen ihr Live-Erscheinen angesagt. Wer kein digitaltaugliches Fernsehgerät nebst Satellitenschüssel besitzt, kann die Bibel-Betreiber theoretisch auch über Internet anklicken (www.bibel-tv.de). Praktisch funktioniert der Gottes-Genuss jedoch nur mit der brandaktuellen Windows-Version. Ansonsten bleiben die Jesusfilmchen (Eigenwerbung: „Frei von Pathos und ohne Starrummel. Mit 5.000 Darstellern an Originalschauplätzen in Israel gedreht“) leider unsichtbar.

Kritische Christen zweifeln ohnehin an der Glaubwürdigkeit der Bibel-Fernsehmacher, die Landeskirchen wollen erst einmal abwarten, und die HipHoper der Republik suchen sich mit Sicherheit auch andere Spielwiesen als den Gotteskanal. HOF