Atomanlagen sicher vor Terror?

Der jüngste Bericht der Reaktor-Sicherheitskommission sieht keine Mängel an der Sicherheit deutscher Atomanlagen und Zwischenlagerstätten für radioaktives Material bei Flugzeugabstürzen – interne Kritiker werden offenbar mundtot gemacht

von ROLAND HOFWILER

Seit Juli existiert eine vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebene Studie der Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) zur Sicherheit von Atommüllzwischenlagern im Fall terroristischer Anschläge. Bislang ist sie noch nicht der breiten Öffentlichkeit vorgestellt worden. Allerdings ist sie seit Ende September immerhin im Netz auf der Homepage der RSK (www.rskonline.de) mit einem Zwischenklick auf der Unterseite „Stellungnahmen“ zu finden. Nicht nur die späte Bekanntgabe, sondern auch der Inhalt des Berichts sorgen seitdem unter Atomexperten für Verwirrung.

Unter dem offiziellen Titel „Sicherheit deutscher Zwischenlager für bestrahlte Brennelemente in Lagerbehältern bei gezieltem Absturz von Großflugzeugen“ kommen die Autoren zu dem Schluss, „auch nach einem gezielten Absturz eines Großflugzeuges mit vollem Tankinhalt“ seien Gefahren „weder durch mechanische noch durch thermische Einwirkungen zu erwarten“. Und vor allem „keine radioaktiven Freisetzungen“.

Nach Informationen, die der taz vorliegen, gab es selbst unter den an der Studie beteiligten Wissenschaftlern unterschiedliche Meinungen über die Gefahren eines möglichen Terroranschlags auf deutsche Atomanlagen oder Stätten zur Lagerung radioaktiver Abfälle. Dabei wurde vor allem über die Grundaussage der „Stellungnahme“ – so die offizielle Kategorisierung des Reports – heftig debattiert, ob eine von Terroristen voll getankte Linienmaschine bei einem Aufprall tatsächlich nicht länger als 50 Minuten lang brennen würde. In dieser kurzen Zeit, so hieß es, könne das ausströmende Kerosin keinerlei Schaden an den radioaktiven Brennelementen in den Behältern verursachen.

Andere Spezialisten verweisen jedoch auf internationale Untersuchungen, wonach Brände bei Flugzeugabstürzen teilweise stundenlang lodern, bis sie unter Kontrolle gebracht werden. „Drei bis fünf Stunden“ hält der freiberufliche Atomexperte Helmut Hirsch, der nicht an der Stellungnahme beteiligt war, in einem AKW für durchaus möglich. Und nicht nur dort: „Diese können nach unseren Analysen auch in einem Zwischenlager auftreten.“

Hirsch hat nach den Ereignissen vom 11. September 2001 unter anderem für das österreichische Bundesumweltministerium an einer Untersuchung mitgearbeitet, die sich mit der Sicherheit deutscher Zwischenlager nach einem Terroranschlag befasste. Insgesamt sechs solcher Reports wurden erstellt. Hirsch: „Doch keiner wurde von der RSK berücksichtigt.“

Ein weiterer Kritikpunkt von externen Wissenschaftlern an der RSK-Studie ist die Missachtung der Frage, wie sicher Zwischenlager sind, falls ein Terrorkommando mit panzerbrechenden Waffen eine Anlage angreifen würde. Bei der RSK heißt es dazu, zu dieser heiklen Frage könne man sich nicht äußern, um Terroristen keine Anleitung zu Anschlägen zu liefern – für die kritischen Experten ist das nur eine Ausrede.

Die RSK-Kritiker verweisen außerdem darauf, dass eine ältere Untersuchung, datiert vom 5. April 2001, also einige Monate vor den Terroranschlägen in den Vereinigten Staaten, die Gefahren für deutsche Atomanlagen im Fall eines Flugzeugabsturzes schon viel kritischer beleuchtete. Und damals waren alle nur von einem möglichen Unglück ausgegangen, an einen gezielten Terrorakt hatte niemand gedacht. Zwei Mitglieder der RSK-Hauptkommission äußerten damals in einem Anhang zum Report ihre „abweichende Meinung“ und forderten eine bessere Auslegung der Zwischenlager gegen Flugzeugabstürze. Warum diese Stimmen heute nicht mehr gehört werden, wirft Fragen auf.