Mea culpa einer ehemaligen Präsidentin

Die frühere Präsidentin der bosnischen Serben, Biljana Plavšić, bekennt sich vor dem Haager UNO-Tribunal schuldig

Als erstes Mitglied der Führungsriege der serbischen Nationalisten in Bosnien und Herzegowina hat Biljana Plavšić sich am Mittwoch per Videoleitung vor dem UNO-Tribunal in den Haag Verbrechen gegen die Menschlichkeit als schuldig bekannt. Das ist mutig. Denn nach wie vor werden die Verbrechen der serbischen Soldateska in Bosnien nicht nur von ihren ehemaligen Weggefährten, sondern von der Mehrheit der serbischen Bevölkerung geleugnet.

Was die 72-Jährige bewogen hat, dies zu tun und sich politisch zu isolieren, ist schwer zu sagen. Sie befindet sich nach Informationen aus Den Haag abgeschirmt an einem geheimen Ort in Belgrad. Im Januar 2001 nach Den Haag gebracht und als Kriegsverbrecherin angeklagt, ist es ihr als bisher einziger Angeklagten gelungen, bis Prozessbeginn gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt zu werden. Ihre jetzige Aussage verschlechtert ihre Position vor Gericht nicht. Das Kriegsverbrechertribunal zog am Mittwoch die Anklage wegen Völkermords zurück.

Schon kurz nach dem Krieg machte Plavšić sich mit einer ähnlichen Methode bei den internationalen Institutionen beliebt. Denn sie ging im April 1996 auf die Vorschläge des damaligen stellvertretenden Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien, des späteren deutschen Kanzlerberaters und jetzigen Chefs der UN-Mission im Kosovo, Michael Steiner, ein, gemeinsam den damals noch unbestrittenen Führer der Serben, Radovan Karadžić, zu stürzen. Was im Sommer 1996 gelang. Zum Lohn wurde die ehemalige Biologieprofessorin an der Universität von Sarajevo selbst Präsidentin der bosnischen Teilrepublik Republika Srpska, konnte sich jedoch bei späteren Wahlen nicht mehr durchsetzen. In Sarajevo erinnern sich die Menschen noch daran, dass die kinderlose Plavšić zu Beginn des Kriegs eine an den Nationalsozialismus angelehnte biologistische Theorie entwickelt hatte, in der sie die serbische Nation als die höchstentwickelte definierte und es folglich als „natürlich“ ansah, dass die Serben auf dem Balkan herrschen sollten. Die damals engste Vertraute von Karadžić scheute sich nicht, den Milizenführer Arkan und seine Mordbanden nach Sarajevo zu rufen. Während des Krieges und der Belagerung Sarajevos machte sie sich mit Brandreden einen Namen.

Plavšić hat große Schuld auf sich geladen. Ob ihr Schuldbekenntnis einem grundsätzlichen Wandel ihres Denkens entspricht, wird sich noch herausstellen. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie sich vom Gericht in eigener Sache weitere Milde erhofft. Vor allem dann, wenn sie als Zeugin gegen Slobodan Milošević auftreten sollte. Denn sie könnte mit ihrer Aussage beweisen, wie Milošević während des Krieges die bosnischen Serben militärisch und politisch gestützt hat. Serbiens Expräsident leugnet ja bis heute einen derartigen Zusammenhang.

Plavšić verfügt über das Wissen und die Beweise in Bezug auf die direkten Geld- und Waffentransfers Belgrads für die Armee der Republika Srpska. Gerade deshalb muss sie sich verstecken. Denn sie muss Anschläge auf ihr Leben fürchten. Wer weiß, ob sie sich überhaupt in Belgrad oder streng abgeschirmt anderswo aufhält. Selbstverständlich wird ein möglicher Kuhhandel mit Plavšić von den Den Haager Anklägern bis heute offiziell geleugnet. ERICH RATHFELDER