Saddam und das „Mobutu-Uran“

Hat die irakische Regierung versucht, Uran aus Afrika zu beziehen, wie Tony Blairs Irakdossier behauptet? Als Lieferant käme der Kongo in Frage. Aber Kongolesen, die angeblich waffenfähiges Uran verhökern, sind vermutlich unglaubwürdig

Kongos Uranlegende ist wertvoll. Aber nicht für den Irak. Betrüger verdienen daran.

von FRANÇOIS MISSER

„Irak hat erhebliche Mengen Uran in Afrika gesucht“, schrieb die britische Regierung in ihrem am 24. September veröffentlichten Bericht über Iraks Massenvernichtungswaffen. Den Versuchen wurde kein Erfolg unterstellt und es wurde kein konkretes Land genannt. Nun stellt sich die Frage, was an der Behauptung stimmen könnte.

Uran gibt es in verschiedenen Ländern Afrikas. Die Uranminen Gabuns wurden vor zwei Jahren geschlossen, die Vorkommen der Zentralafrikanischen Republik sind noch nicht erschlossen. Es bleiben vier mögliche Lieferanten: In Namibia kontrolliert die britische Minengesellschaft Rio Tinto die Uranförderung, in Niger die französische Cogema – Saddams Aufkäufer dürften in diesen Ländern wenig Erfolg haben. Südafrika hat sein Atomwaffenprogramm aus Apartheidzeiten eingestellt und die IAEA sagt, sie habe Garantien über den Verbleib des radioaktiven Materials. Bleibt der Kongo, Afrikas Schmuggelland, aus dessen Uranminen schon der Stoff der Hiroschima-Bombe kam.

Kongos Uranförderung in der Mine Shinkolobwe in der Südprovinz Katanga wurde 1935 aufgenommen und 1965, nach der Unabhängigkeit, eingestellt. Die Uranvorkommen des Kongo belaufen sich heute auf geschätzt 5 Millionen Tonnen Mineral mit einem Urangehalt von 0,1 bis 1,5 Prozent – aber die Förderung ist derzeit völlig unmöglich. Shinkolobwe ist seit der Schließung geflutet, und nur noch geringe Mengen Uranit – ein uranhaltiges Mineral – sind in dem Bergwerk zu finden. Damit ist wenig anzufangen. Früher wurde aus Kongos Uranit im belgischen Hoboken Uran 235 extrahiert – nützlich für Atomkraftwerke, aber zu schwach für Atomwaffen.

Der belgische Uranspezialist Hugues Leclercq bezweifelt, dass der Irak über eine Urananreicherungsanlage verfügt, um aus Uran 235 waffenfähiges Uran 238 oder gar Plutonium herzustellen. „Es gibt höchstens ein paar Pilotanlagen, die Jahre brauchen, bis dort die paar hundert Gramm oder das Kilogramm erzeugt werden können, das man für eine Atombombe braucht“, meint er. „Die kleinsten Urananreicherungsanlagen sind 600 mal 150 Meter groß. Wenn es die gäbe, ließe sich das per Satellit feststellen. Man kann sie unter die Erde verlegen, aber sie sind gigantisch.“ Auch der britische Bericht schreibt lediglich, dass der Irak „versucht, eine eigene Kapazität zu bekommen, um Uran anzureichern“. Es wäre viel einfacher für den Irak, gleich angereichertes Uran zu kaufen – zum Beispiel in ehemaligen Sowjetrepubliken.

Bleibt die Möglichkeit, dass der Irak kongolesisches Uran aus dem Atomforschungszentrum der Universität Kinshasa bezogen hat, wo ein Forschungsreaktor noch in Betrieb sein soll. Die IAEA meldete jüngst das Verschwinden von zwei Brennstäben aus Kinshasa in den 70er-Jahren. Am Dienstag meldete die kongolesische Tageszeitung Tempête des Tropiques, die USA wollten nun die verbliebenen Uranbestände in Kinshasa aufkaufen, „damit sie nicht in die Hände von Terroristen fallen“. Darüber seien Verhandlungen mit der Regierung von Präsident Joseph Kabila im Gange. Das Forschungszentrum wird seit Jahren von den USA und der IAEA überwacht, weil es auf einem erosionsgefährdeten Hang liegt und somit ein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung der kongolesischen Hauptstadt darstellt. Die IAEA arbeitet nach eigenen Angaben an der Verbesserung der Sicherheits- und Meldesysteme.

Auch wenn es keinen Beweis dafür gibt, dass kongolesisches Uran an Saddam gegangen ist – die Mutmaßung, im Kongo sei Bombenmaterial zu haben, ist wertvoll. Aber nicht für den Irak. Betrüger verdienen daran – „Kongolesen aus dem Osten, aus der Provinz Maniema und gewisse Persönlichkeiten aus dem Norden Katangas“, so Leclercq. Mitte September wurden in Kenia mehrere Menschen verhaftet, die 200 Gramm angebliches „Mobutu-Uran“ anboten. Eine andere Gruppe lief nach Presseberichten in Nairobi mit einer Plastiktüte herum, in der sich ein Bleicontainer mit der Aufschrift „Uran 238“ befand. Das sei eine Probe eines Bestandes von 20 Kilo, die im Kongo versteckt seien und 500 Millionen Dollar wert seien, behaupteten sie.

Im November 2001 berichtete die italienische Tageszeitung Repubblica, eine Bande habe versucht, in Italien 10 Kilo kongolesisches Uran 238 aus Belgien an den Irak und Nordkorea zu verkaufen. Der Bericht stieß allerdings bei Experten auf einhellige Skepsis. Ende 2000 wurde ein traditioneller kongolesischer König, dem der damalige Präsident Laurent Kabila 1998 die Leitung einer staatlichen Bergbaufirma im Osten des Kongo übertragen hatte, im französischen Lyon von Unbekannten ermordet, nachdem er angeblich seinen Klienten eine Lieferung Uran und Coltan schuldig blieb.

Kongos „Uran-Legende“, wie Leclercq es nennt, zieht nicht nur windige Händler an. Unter der Herrschaft des 2001 ermordeten Laurent Kabila kamen Nordkoreaner in den Kongo und interessierten sich für die Wiederöffnung der Uranmine Shinkolobwe. Es gab sogar das Projekt, beim Inga-Staudamm am Kongo-Fluss ein Atomkraftwerk zu bauen. Aus alldem wurde nichts. Vielleicht ist ja jetzt auch der britische Geheimdienst der Uranlegende aufgesessen.