Lounge-Pop mit hohem Wohlfühl-Faktor

Kollektive Begeisterung für die Prunkshows US-amerikanischer Entertainer: Das Trio „Florida“ macht Sound ohne hässliche Kanten und präsentiert sich am Sonnabend zusammen mit Nitrada in der Schilleroper

Rolltreppen gehören wohl zu den missbrauchtesten Kulissen der Werbeindustrie. Vor den dort sich entwickelnden Flirtsituationen, deren Flüchtigkeit keinen Mut erfordert und deren gegensätzliche Fahrtrichtung ein Wiedersehen unwahrscheinlich macht, lässt sich vom Handy bis zum Herrenparfum so ziemlich alles bewerben. Da ist es schon eine bemerkenswerte Leistung des britischen Trios Florida, einer permanent kolonisierten Situation ihre Unschuld zurückzugeben.

„Girl on the Escalator“, so der schlichte Titel ihres Hits, beginnt mit einem trippelnden, glockenhellen Keyboardthema, zu dem sich bald die Nico-eske Stimme Annes gesellt, beide kreisen um die ebenso einfache wie gemächliche Melodie, und nach und nach treten weitere kleine Keyboardsounds zu den beiden, bis ein fröhlicher Analogreigen entsteht, den man nicht mehr aus dem Kopf bekommt.

Wenn Florida, präsentiert vom Freien Sender Kombinat, die flache Bühne der Schilleroper betreten, wird keine Treppe, schon gar keine rollende nötig sein. Dennoch wird das Trio den eher familiären Anlass (die Band fühlte sich bei ihrem letzten Auftritt in der Stadt arg wohl und es wurden viele Freunde gewonnen) mit Würde begehen. Sie rührt aus ihrer kollektiven Begeisterung für die bombastischen Prunkshows der großen US-amerikanischen Entertainer.

Ob es für Frack und Abendkleid reicht, muss sich zeigen, doch die Geste zählt und die ist auch mit preisgünstiger Rhythmusmaschine und erschwinglichen Orgeln durchgehend galant. Kein Stück macht überhastete Bewegungen, kein Sound mit hässlichen Kanten oder kratzenden Sprüngen, keine Melodie, die nicht mit Samt ausgeschlagen scheint: Lounge-Pop mit hohem Wohlfühl-Faktor.

Christophe Stoll, eher bekannt unter seinem digitalen Alter-Ego Nitrada, hat mit Wohlfühlen nicht viel im Sinn. Seine Musik ist eher der Soundtrack verwaister U-Bahn-Stationen, wo Neonröhren knispeln und Züge rattern. Eine Station früher ist Kölns anschmiegsame Minimal-House-Szene ausgestiegen, an der nächsten warten nihilistische Laptop-Terroristen, hat sich Nitrada für die neue Mitte entschieden, wie sie etwa auch Bremens James DinA 4 vertritt: Data-Pop, der aus der Kühle wärmt und das Abstrakte konkret werden lässt. Die Plattenteller mit handverlesenen Tonkonserven füttern wird an diesem Abend Madame Spiffytunes.

Gregor Kessler

Sonnabend, 22 Uhr, Schilleroper