Späte Gerechtigkeit

In Guatemala muss ein Oberst für 30 Jahre ins Gefängnis, für den Mord an Myrna Mack am 11. September 1990

BERLIN taz ■ Eines der spektakulärsten Strafverfahren der jüngeren Geschichte Guatemalas ist am Donnerstag mit einem harten Urteil zu Ende gegangen: Als Auftraggeber des Mordes an der damals 39-jährigen Anthropologin und Menschenrechtlerin Myrna Mack am 11. September 1990 wurde Armeeoberst Juan Valencia Osorio zu dreißig Jahren Haft verurteilt. Zwei weitere Mitangeklagte, Oberst Juan Guillermo Oliva Carrera und General Edgar Augusto Godoy Gaytán, wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Zwölf Jahre, nachdem Myrna Mack mit 27 Messerstichen im Körper vor ihrem Büro in Guatemala-Stadt gefunden worden war, ist damit richterlich bestätigt, was Menschenrechtsgruppen von Anfang an wussten: Dass es sich um ein politisches Verbrechen handelte, das vom Militär angeordnet worden war. Myrna Mack hatte als Anthropologin mit guatemaltekischen Indigenas gearbeitet – und sie hatte das Verhalten der Militärs angeklagt, die während des blutigen Bürgerkriegs in den 80er-Jahren für zahlreiche grausame Massaker an der indigenen Bevölkerung verantwortlich zeichneten. Kurz vor der Vorlage eines weiteren Berichts war sie bedroht und ermordet worden.

Die Armee stritt lange Zeit jegliche Verantwortung für den Mord ab – und hätte nicht Myrna Macks Schwester Helen ab 1991 alle erreichbaren Hebel in Bewegung gesetzt, um die staatlichen Organe zu Ermittlungen zu zwingen, wäre auch die Ermordung Myrna Macks einer der unzähligen abgelegten Fälle geworden, wie sie im Bericht der guatemaltekischen Wahrheitskommission dokumentiert sind.

Dank der Bemühungen Helen Macks aber – die dafür 1992 mit dem Alternativen Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde – konnte der Mörder ihrer Schwester bereits 1993 verurteilt werden, auch er ein Angehöriger der Militärs. Hauptmann Noel de Jesús Beteta Alvarez, der zur Präsidentengarde gehörte, erhielt eine Haftstrafe von 25 Jahren. Noch damals hätte niemand es für möglich gehalten, dass die Auftraggeber jemals zur Rechenschaft gezogen werden könnten – jahrzehntelang hatten sich die Folterer und Mörder in Uniform grundsätzlicher Straflosigkeit erfreut.

Doch neue Beweise tauchten auf – vor allem die Zeugenaussagen des verurteilten Beteta, der in mehreren aufgezeichneten Gesprächen erklärt hatte, von Oberst Valencia mit dem Mord an Myrna Mack beauftragt worden zu sein. 1996 begannen Ermittlungen gegen die drei Offiziere, 1999 der Prozess. Aber nachdem immer wieder Zeugen bedroht und eingeschüchtert wurden, schoben sich die Richter das Verfahren gegenseitig zu. Es dauerte Monate, bis sich die dritte Strafkammer von Guatemala-Stadt bereit fand, das Verfahren zu übernehmen. Die Verteidigung hat jetzt angekündigt, in die Berufung zu gehen.

BERND PICKERT