soundcheck
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Gehört: Florida, Schilleroper. „Wir sollten eine Elektronik Band sein“, ruft der Mann mit dem Drei-Tage-Bart. „Aber wir haben eine verdammte Akustikgitarre.“ Hacker heißt er, und der Gegensatz zwischen Anspruch und Wirklichkeit seiner Band Florida stimmt ihn fröhlich. Wie ein Luftgewehr klemmt er sich die Akustische gegen die linke Schulter und spielt los. Dahinter sitzt fast bewegungslos Chuck vor einer miniaturisierten Batterie preisgünstiger Keyboards und Synthesizer. Mit programmierten Rhythmen und eingespielten Sounds sorgt er für die wenigstens partielle Einlösung des Elektronik-Versprechens.

Ursprünglich war Florida die Band dieser beiden, und sie freuten sich am ambivalenten Beigeschmack des Namens – zwischen Glamour und Low-Budget – der so gut passte zu ihren Stücken, die klangen wie billige Versionen opulenter Shownummern. Doch erst als Annes schneidend klare, dunkle Stimme dazukam, ging der Plan auf. Auf der Bühne schafften es Florida, weniger kühl, aber ebenso ergreifend wie die Young Marble Giants und nicht so albern, aber genauso einfallsreich wie Deep Freeze Mice zu klingen. Und wenn sich beide, Hacker und Anne, wie auf ihrer als „World Smash Hit“ angekündigten neuen Single „Girl on the Escalator“, die Gesangsparts zuspielten, wenn sie in „It‘s Too Late“ abwechselnd von den verpassten Chancen des Lebens und der Liebe sangen, dabei wortlos und wie selbstverständlich zu einem kleinen, selbst vergessenen Schwoof sich vereinten, dann glaubte die voll gepackte Schilleroper, dass auch der am gleichen Abend in der Stadt weilende Charles Aznavour keine ergreifenderen Weisen hatte singen können.

Daran konnten auch Hackers aus der Euphorie wachsenden kakophonischen Keyboard-Einwürfe nichts ändern. Eine radikal veränderte Version des Band Of Holy Joy-Stückes „Someone Shares my Dream“, zu dem Hacker die Akustische mit einer Trompete tauschte, beendeten Florida das Bühnentreiben leider viel zu früh –und beschwichtigten lediglich mit einem halbwegs glaubhaften „see you very soon“.

GREGOR KESSLER