Kriterien für Ethik-Anlagen

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre entwirft Kriterien für ethisches und soziales Investment. Der als nachhaltig verkaufte „best-in-class“-Ansatz ist nicht per se ökologisch

Häufig werden Vertreter der Interessen von Anlegern wie zum Beispiel die Kritischen Aktionäre von Investoren gefragt, ob sie denn auch positive Empfehlungen für eine „ethische“ Geldanlage geben könnten. Bisher wurde dies nicht als Kernaufgabe der Unternehmenskritiker angesehen, und die Empfehlungen blieben eher allgemein. Weil der Markt und die Angebote in diesem Segment jedoch ständig unübersichtlicher werden und einige Unternehmen, die von kritischen Aktionären heftig angegangen werden, plötzlich in „ethischen Indizes“ oder „Nachhaltigkeitsfonds“ auftauchten, wurde es unerlässlich, sich auch der Frage des ethischen Investments näher anzunehmen. Dazu eröffnete der Dachverband im Sommer eine Diskussion innerhalb seiner Mitglieder und Mitgliedsgruppen darüber, welche Kriterien aus ihrer Sicht für ein ethisches Investment unabdingbar seien. Das Ergebnis dieser Arbeit wird vom Dachverband der Kritischen Aktionäre zur Diskussion gestellt.

Der Katalog umfasst alle gesellschaftspolitisch relevanten Bereiche: die Verletzung der Menschenrechte oder der Rechte von Beschäftigten, Korruption und Steuerbetrug, Verletzungen von nationalen oder internationalen Umwelt- und Sozialabkommen, Benachteiligung von „Entwicklungsländern“, Produktion von Militär- oder Rüstungsgütern, Atomenergie, Gentechnik, umwelt- oder gesundheitsschädliche Stoffe, irrationale oder gesundheitsgefährdende Arzneimittel, Raubbau an natürlichen Ressourcen, Förderung von Süchten, Verletzungen von Tierrechten, verantwortungsloses Informationsverhalten. Über diese Negativkriterien hinaus werden Bereiche genannt, die den Charakter von Positivkriterien haben: Initiativen im Interesse der Beschäftigten, fairer Handel, Nutzung erneuerbarer Energiequellen, biologische Landwirtschaft, artgerechte Tierhaltung, Aufforstung, Berücksichtigung von Verbraucherinteressen, Informationsoffenheit, regionales Wirtschaften und die Förderung sozialer Ziele.

Sieht man sich die Zusammensetzung der Mitgliedsverbände der kritischen Aktionäre an, so wird klar, dass es sich um einen sehr umfassenden und im inhaltlichen Sinne auch sehr „strengen“ Katalog handelt, haben sich doch die einzelnen Gruppe große Erfahrungen in ihrem jeweiligen Spezialgebiet erarbeitet und sehen inhaltliche Kompromisse meist als wenig förderlich an. Diese Haltung geht auf leidvolle Erfahrungen zurück, die in der täglichen Auseinandersetzung mit problematischen Unternehmensstrategien gemacht werden mussten. Trotz dieser Kompromisslosigkeit hält der Dachverband seinen Kriterienkatalog für einen konstruktiven Diskussionsbeitrag, können doch auch Menschen, die nicht alle Bewertungen teilen, dadurch zu einer vertieften Reflexion der Dimensionen gelangen, in denen sie sich tatsächlich engagieren wollen. Zu diesem Zweck sind dem Kriterienkatalog Definitionen, Kommentare und zahlreiche über das Internet zugängliche Fundstellen beigefügt.

Ein entscheidender Unterschied zu zahlreichen „ethischen Indizes“ besteht darin, dass die kritischen Aktionäre ein Gegenmodell zu dem beliebten „best-in-class“-Ansatz aufbauen wollen, in dem aus jeder Branche – gleichgültig was produziert wird – diejenigen Unternehmen empfohlen werden, die entsprechend den Kriterien relativ „am besten“ abschneiden. Das neueste spektakuläre Beispiel dafür ist die Aufnahme der Zigarettenfirma BAT in den Dow-Jones-Sustainability-Index (DJSI), weil sie nach den „Nachhaltigkeitskriterien“ dieses Ansatzes mehr leistet, als andere Zigarettenhersteller. Hier soll es das „unübliche Ausmaß an Offenheit“ sein, das der Konzern im Umgang mit der Öffentlichkeit an den Tag lege. Die Tatsache, dass das Produkt selbst Suchtgefahren birgt und ein hohes Gesundheitsrisiko darstellt, spielt dabei überhaupt keine Rolle mehr. Auch die Tatsache, dass BAT in seinem „Social Report 2001–2002“ weiterhin den ursächlichen Zusammenhang zwischen Rauchen und bestimmten Erkrankungen als „nicht bewiesen“ darstellt, bringt das Management des DJSI nicht in Gewissensnöte.

Entsprechend dem Kriterienkatalog des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre käme BAT selbstverständlich nicht für ein Investment in Frage, geht er doch davon aus, dass man bei der ethischen Bewertung von Unternehmen auch eine Bewertung der ökologischen, gesundheitlichen und sozialen Eigenschaften der hergestellten Produkte vornehmen muss. Auch aus diesem Grunde sieht der Dachverband den Katalog nicht als „für alle Zeiten gültig“ an, sondern betont die Notwendigkeit seiner permanenten Diskussion und Weiterentwicklung. VOLKMAR LÜBKE

Das Papier lag bei Redaktionsschluss nur in einer noch nicht endgültig zu veröffentlichenden Fassung zur internen Abstimmung vor. Die Endfassung wird in den nächsten Tagen vorliegen. Man kann sie – vorerst nur auf dem Postweg – bestellen beim Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, Schlackstraße 16, 50737 Köln, Telefon (02 21) 5 99 56 47, dachverband@kritischeaktionaere.de