Soldaten nach Texas

Jahrelang waren Bundeswehrangehörige schädlicher Strahlung ausgesetzt. Jetzt hoffen sie auf ein US-Gericht

BERLIN taz ■ Strahlengeschädigte Bundeswehrsoldaten klagen seit gestern vor einem Gericht in Texas gegen dort ansässige Elektronikkonzerne. Die Firmen hatten Radargeräte hergestellt, an denen die Soldaten von 1958 bis 1994 gearbeitet haben. Bei ihnen sind besonders oft Krebserkrankungen wie Leukämie und Hodenkrebs aufgetreten.

Die Geräte sendeten ionisierende Strahlung aus, denen die Soldaten mehrere Stunden am Tag und über mehrere Jahre ausgesetzt waren, ohne davon zu wissen. „Die Soldaten wurden quasi jahrelang geröntgt, ohne Schutzvorrichtung wie bein Arzt“, sagte Reiner Geulen, Anwalt der Opfer. Dazu kam radioaktive Strahlung, die von Leuchtschriften auf den Bedienungsknöpfen der Maschinen ausging.

Die Berliner Rechtsanwälte Reiner Geulen und Remo Klinger vertreten 822 Opfer und Angehörige gestorbener Soldaten. Nur 450 von ihnen können sich allerdings an der Sammelklage in den USA beteiligen. Die anderen haben nicht an Geräten amerikanischer Hersteller gearbeitet. Erleichtert wird die Klage dadurch, dass die Radarmechaniker und Radarbediener in den USA ausgebildet wurden und zum Teil auch einige Jahre dort gearbeitet hatten. Unter den Klägern sind außerdem auch US-Amerikaner.

Neben einem Schadensersatz von mindestens 1 bis 2 Millionen Dollar pro Person wollen die Anwälte Geld dafür einklagen, dass nicht erkrankte Soldaten auf Gesundheitsschädigungen überprüft wurden. Anders als in Deutschland ist dies in den USA möglich.

Ehemalige NVA-Soldaten und diejenigen Bundeswehrsoldaten, die an deutschen oder britischen Geräten gearbeitet haben, müssen die deutsche Entwicklung abwarten. Alle in der Bundesrepublik Deutschland anhängigen Verfahren sind ausgesetzt, bis eine vom Verteidigungsausschuss eingesetzte Expertenkomission darüber befunden hat, ob die Strahlung tatsächlich Krebs erregend war. „Das wird voraussichtlich bis Anfang nächsten Jahres dauern“, so Rechtsanwalt Geulen.

NICOLE KUHN