Sex-Therapie für sechs Euro

Der Wiener Psychologe und Kabarettist Bernhard Ludwig hat aus seinem humoristischen Massenseminar den ersten interaktiven Kinofilm aller Zeiten gemacht. Heute in der Schauburg

„Das Problem: Alle glauben, ihre Freunde hätten die größere Gaudi als sie selbst.“

„Täuschen Sie Ihrem Partner öfter mal einen Orgasmus vor?“ Eine große Frauengruppe bestätigt durch heftiges Summen von links. „Hätten Sie gerne häufiger Sex?“ Diesmal summt es aus einer Männermeute von rechts, wie in einem wildgewordenen Bienenschwarm. Wer Lust bekommen hat, selbst an diesem orgiastischen Gesumme teilzunehmen, sollte sich heute abend in der Schauburg den Film „Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit“ ansehen.

Der „wohl beste Film des Jahres“, so die österreichische Presse, ist eigentlich gar kein Film. Er ist kabarettistisches Soloprogramm. Und Massentherapie. Die Kamera bewegt sich kaum, es passiert eigentlich nichts. Nur ein freundlicher, älterer Herr mit weißem Haarkranz und deutlich österreichischem Zungenschlag steht auf einer Bühne: Bernhard Ludwig. Der ist promovierter Psychologe und hat nach eigener Aussage „das Kino-Ei des Columbus gefunden“.

Nur mit einem Stift und ein paar großen Bögen Papier bewaffnet, erklärt er 99 Minuten lang, wie man/frau garantiert sexuell unzufrieden wird oder bleibt. Es soll sich dabei um den weltweit ersten interaktiven Kinofilm handeln.

Der therapeutische Hauptdarsteller auf der Leinwand kommuniziert direkt mit den ZuschauerInnen im Kinosaal. Durch Summen äußern Männlein und Weiblein ihre Meinung zu pikanten Fragen.

Damit das Experiment funktioniert, müssen Frauen und Männer getrennt voneinander sitzen – sonst darf das Kinopersonal den Film nicht starten.

Der Wiener Bernhard Ludwig leitet seit zwanzig Jahren Psychotherapie-Gruppen. „Meine Seminare wurden immer lustiger, da dachte ich: Da könnte man Kabarett daraus machen.“ So entstanden die Programme „Anleitung zum Herzinfarkt“, „Anleitung zum Diätwahn“ – und eben auch „Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit“. Ludwig prägte so den Begriff „Seminar-Kabarett“ und leitete begleitende Studien.

Jeder seiner Gags hat einen wissenschaftlich abgesicherten Hintergrund. Das macht Ludwig auch für Berufskollegen nicht angreifbar. Im Gegenteil: Sie gestehen ihm große Fachkompetenz zu. Eine österreichische Sexologin schwärmt: „Ludwigs Kabarett ist soviel wert wie zehn Therapiestunden.“ Experten bewerten sein Programm zu 80 Prozent als Therapie und zu 20 Prozent als Kabarett. Er selbst sagt: „100 Prozent Therapie.“ Auftritte vor Ärzte-Kongressen sind für den Mittfünfziger keine Seltenheit. Demnächst hält er sogar für die EU-Gesundheitsminister ein Seminar-Kabarett – erstmals auf Englisch. 1999 wurde Ludwig mit dem österreichischen Kabarettpreis ausgezeichnet, er füllt Hallen für 1.000 Leute und mehr.

„Die Mischung aus exakter Wissenschaft und Kabarett bewirkt eine bessere Aufnahmefähigkeit des Publikums“, meint Ludwig. Das wahre Kabarett spiele sich dabei nicht auf der Bühne, sondern im Kopf des Zuschauers ab. Verschmitzt fügt er hinzu: „Das Problem ist doch, dass alle glauben, ihre Freunde und Bekannten hätten eine viel größere Gaudi als sie selbst“. Dass seine Therapie ihre Wirkung verfehlt, muss der Massentherapeut nicht befürchten: „Nach meinem Kabarett verschwinden die Leute so schnell wie nirgendwo sonst.“

Daniel Schalz

Heute um 22.30 Uhr einmalig in der Schauburg. Eintritt: 6,50 Euro. Die taz verlost fünfmal zwei Freikarten. Wer ab 16 Uhr zuerst anruft, gewinnt. ☎ 321 353