Homophobie im Frankenland

Ein schwules Pärchen aus der ARD-Sendung „Herzblatt“ bringt die Weltordnung eines bayerischen Bürgermeisters durcheinander. Dabei hätte die Werbung als „Herzblatt“-Ausflugsziel für seinen Kurort so einträglich sein können

von AXEL KRÄMER

Eingebettet zwischen Wäldern, Wiesen und Teichen liegt das malerische Bad Alexandersbad – ein Kurort im Fränkischen, dessen Heilkräfte „den Körper, den Geist und die Seele wieder ins Gleichgewicht“ bringen. So wirbt die Gemeinde um stressgeplagte Touristen. Dabei ist es der Bürgermeister selbst, der nun mitten in der Idylle ein bisschen Entspannung gebrauchen könnte. Zumindest am Telefon hört sich Walter Lehner so an, als sei er mit den Nerven am Ende.

Anfangs hatte er noch mit Freude dem werbeträchtigen Besuch eines „normalen“ Kandidatenpaares aus der TV-Flirt-Show „Herzblatt“ entgegengefiebert. Und dann kam die Überraschung: Es stellte sich heraus, dass es zwei schwule Männer sein würden. Das erste Schwulenpärchen in der Geschichte der Sendung „Herzblatt“, die am 25. Oktober mit neuen Folgen startet. Das versetzte dem Ortsvorsteher einen Schock, er blies den offiziellen Empfang kurzentschlossen ab und bescherte seinem friedlichen Kurort einen ordentlichen Skandal.

In der Regionalzeitung Frankenpost warfen ihm Bürger seiner Gemeinde vor, persönlich etwas gegen Schwule zu haben. Lehner bestreitet das – und fühlt sich nun als Opfer einer Kampagne. „Ich hab so viel Ärger gehabt deswegen“, stöhnt er und holt tief Luft. Verzweifelt versichert er mit gequälter Stimme: „Ich bin ein ganz normaler Mensch“ – kurze Pause – „Ich gehöre der CSU an.“ Und: „Ich hab Naturwissenschaften studiert.“

Ein Bürgermeister redet sich um Kopf und Kragen, liefert einen Schwall an vermeintlichen Rechtfertigungen. Dabei lautete die Frage lediglich, warum er das Homopaar denn nicht empfangen wollte. „Ich brauche keinen Nachhilfeunterricht in Biologie und ich habe persönlich nichts gegen Menschen mit dieser Neigung“, beteuert er. Trotzdem fühle er sich für seine Gemeinde verantwortlich, und für eine Werbeveranstaltung seien Schwule nun mal ungeeignet.

Das schöne Bad Alexandersbad als Szenetipp für den Homo-Urlaub – davor graut es Bürgermeister Lehner.

Nicht weit vom Rathaus entfernt scheint man das alles nicht so eng zu sehen. Heteros, Schwule – Hauptsache ins Fernsehen. Die Managerin vom „Hotel Alexandersbad“, Ellen Hofmann, verspricht sich von dem TV-Ereignis, das im nächsten Jahr ausgestrahlt werden soll, einen positiven Publicityeffekt. Allen Bedenken des Bürgermeisters zum Trotz bereitete sie dem schwulen Paar einen herzlichen Empfang im „Hochzeitszimmer“ des Hotels. Jedenfalls ist der erfolgreich verkuppelte Kandidat Markus Stork begeistert. Erst kurz vorher hat er seinen Begleiter bei „Herzblatt“ kennen gelernt und urteilt nach der Ankunft per „Herzblatt-Hubschrauber“: „Ganz rührend haben die sich um uns gekümmert.“ Der 32-jährige Projektmanager aus Wiesbaden hatte mit seinem TV-Show-Partner „jedenfalls einen Riesenspaß“. Stork ist stolz darauf, zu den ersten schwulen „Herzblatt“-Kandidaten zu gehören.

Deutschlands „erfolgreichste Flirtshow“, wie es in der Eigenwerbung heißt, hatte bislang nur eines zum Thema: Mann sucht Frau oder Frau sucht Mann. Der Ablauf der Kuppel-Show ist bekannt: Der Kandidat hat drei potenzielle Partner zur Auswahl, die er nicht sieht und denen er mehr oder weniger originelle Fragen stellt, bevor er sich entscheidet.

Für den Bayerischen Rundfunk war die gleichgeschlechtliche „Herzblatt“-Sendung zunächst ein Experiment. „Wir wollten mal neuen Schwung reinbringen“, sagt ARD-Sprecher Röver. Und das Ergebnis sei zufriedenstellend, das Publikum habe große Freude daran gehabt. Obwohl es zuvor nichts von den schwulen Kandidaten wusste. In der Redaktion werde nun sogar daran gedacht, noch vor der Ausstrahlung im Januar 2003 eine weitere Folge zu produzieren.

Und Heike Lutter vom „Herzblatt“-Team findet es bedauerlich, dass die Homo-Show erst im nächsten Jahr gezeigt wird: „Der ideale Sendetermin wäre natürlich jetzt.“ Bei der Publicity.