Schwerer Rückschlag in Guatemala

Ein Berufungsgericht hebt das Urteil gegen Militärs wegen der Ermordung des Weihbischofs Juan Gerardi auf

GUATEMALA-STADT taz ■ Sie steht, die Front der Militärs und ihrer Freunde. Applaus und Ovationen für die Berufungsrichter, für die Verteidiger, vor allem für die drei Männer auf der Anklagebank. Der Hauptmann Byron Lima Oliva, eben noch wegen der Ermordung des guatemaltekischen Weihbischofs Juan Gerardi zu 30 Jahren Haft verurteilt, findet nach der Verlesung des Berufungsurteils als erster die Sprache: „Wir Militärs verteidigen unser Vaterland, im Gegensatz zu den Kommunisten da drüben!“

Drüben, auf der anderen Seite des Gerichtssaals, sitzen die Menschenrechts-Aktivisten und schweigen. Gerade ist ein Urteil zusammengebrochen, das man als „historisch“ gefeiert hatte – vermutlich zu früh. Der Prozess wird neu aufgerollt.

Im April 1998 war Gerardi erschlagen worden, zwei Tage, nachdem er in einer Studie Bürgerkriegs-Verbrechen der Armee angeprangert hatte. Drei Jahre und drei Staatsanwälte später kam im Juni 2001 ein Urteil gegen zumindest Mitverantwortliche zustande: Drei Militärs mittleren bis hohen Ranges und Gerardis Hilfspriester wurden wegen des Mordes verurteilt – ein Durchbruch, so schien es, gegen die Straflosigkeit, derer sich Guatemalas Militärs trotz erwiesener Menschenrechtsverletzungen so viele Jahre erfreut hatten.

Das Berufungsgericht sagte zur Begründung seiner Entscheidung, die erste Instanz habe Widersprüche in der Aussage des wichtigsten Zeugen ignoriert. Die Anwälte der katholischen Kirche Guatemalas, der Nebenklägerin, wollen nun prüfen, ob das Berufungsgericht damit seine Kompetenzen überschritten hat. Wann und wie der Prozess zu Ende gehen wird, ist nun wieder völlig unklar. Die Angeklagten bleiben jedoch in Haft.

Klar ist allerdings, dass aus einer spektakulären Anordnung aus der ersten Instanz vorerst nichts wird. Das Gericht hatte die Namen dreier ehemaliger Funktionäre des militärischen Geheimdienstes genannt, gegen die als mutmaßliche Drahtzieher des Mordes weiter ermittelt werden solle. Solange jedoch die Anwälte der Kirche mit den Neuverhandlungen beschäftigt sind, bleibt ihnen keine Zeit, einen neuen Prozess vorzubereiten.

Die UN-Mission in Guatemala hat den Staat gebeten, dafür zu sorgen, dass die Neuverhandlungen frei von „Einschüchterungen und Bedrohungen“ bleiben. Nicht von ungefähr: Zwei Staatsanwälte und ein Richter sind nach Morddrohungen bereits ins Exil geflohen. Erst im Juni traf im Erzbischöflichen Menschenrechtsbüro ein Fax ein, in dem angekündigt wurde, dass „Vögelchen“ gegebenenfalls „mit ihrem Blut bezahlen“ müssten.ISABEL GUZMAN