Kein Gewinner, aber ein Sieger

US-feindliche Islamisten punkten bei Pakistans Parlaments- und Regionalwahlen. In mindestens einer Grenzprovinz zu Afghanistan dürften sie nun die Regierung stellen

DELHI taz ■ Die Parlamentswahlen in Pakistan haben keine eindeutigen Gewinner hervorgebracht, doch nach Auszählung von 176 der 272 Direktmandate liegt bereits ein Überraschungssieger vor. Entgegen allen Voraussagen hat eine Koalition islamistischer Parteien bisher 45 Sitze gewonnen, bereits 41 mehr als ihre Zahl im letzten Parlament. Die „Majlis Muttahida Amal“ (MMA) steht damit dicht hinter der „Pakistan Muslim-Liga (Q)“, einer von Präsident Pervez Musharraf unterstützten Abspaltung der Partei des ehemaligen Premierministers Nawaz Sharif, die auf bislang 49 Sitze kommt. An dritter Stelle mit 40 Mandaten liegt die „Volkspartei“ von Benazir Bhutto, während die Nawaz-Fraktion der Muslim-Liga mit neun Sitzen abgeschlagen an vierter Stelle liegt. Etwa ein Viertel der Stimmen fallen auf Kleinparteien und Unabhängige.

Die Wahlen für das Zentralparlament und die Kammern der vier Provinzen waren in der Einschätzung von Innenminister Moinuddin Haider ohne schwere Zwischenfälle abgelaufen. Die Regierung hatte sich auf Anschläge militanter religiöser Organisationen eingestellt; die blieben aber aus. Die 6 Toten und 42 Verletzten, die bei Zusammenstößen von Anhängern verschiedener Parteien in der Provinz Sindh zu beklagen waren, werden daher nicht als schwerwiegend eingeschätzt. Die Wahlbeteiligung lag nach Einschätzung des pakistanischen Fernsehens unter 40 Prozent.

Noch deutlicher als bei der Wahl ins Abgeordnetenhaus in Islamabad sind die Fortschritte der Islamisten in den Provinzparlamenten. In der „North West Frontier Province“, die an Afghanistan grenzt, wird die MMA mit dem Gewinn von 51 der insgesamt 100 Mandate die Regierung stellen. Auch in Balutschistan, das ebenfalls eine lange Grenze mit Afghanistan teilt, könnte die Koalition in die Regierung einziehen. In der volkreichen Provinz Punjab, die über die Hälfte aller Abgeordneten stellt, scheint die Muslim-Liga(Q) das Rennen zu machen, während die Bhutto-Partei PPPP in Sindh vorn liegt.

Für Taliban und al-Qaida

Die gemeinsame Wahlkampfplattform der MMA-Parteien war ihr virulenter Antiamerikanismus gewesen. Der Koalition gehören neben der konservativ-bürgerlichen Dschamaat Islami auch die radikalen Organisationen an, die vor einem Jahr zum Sturz der Regierung aufgerufen hatten, als sich diese auf die Seite der USA und gegen die afghanischen Taliban geschlagen hatte. Im Wahlkampf waren daher nicht nur Pro-Taliban-Slogans zu hören, sondern auch solche für al-Qaida. Die MMA hat in ihrem Wahlprogramm versprochen, die Verträge zur Nutzung mehrere Luftwaffenstützpunkte durch die USA zu kündigen und keine US-Militärberater auf pakistanischem Boden mehr zu dulden. Sie tritt auch für eine vollständige Islamisierung des Rechtssystems und eine Entfernung westlicher Einflüsse aus dem öffentlichen Leben ein. Es ist allerdings kein Geheimnis, dass zwischen den einzelnen Mitgliedern scharfe persönliche Rivalitäten und auch Differenzen in religiös-ideologischer Art bestehen.

Für die Islamisten ist Musharraf nicht nur wegen seiner proamerikanischen Politik ein rotes Tuch, sondern auch wegen seiner antidemokratischen Haltung. Dies verbindet sie mit den „säkularen“ Parteien, der PPPP und der Sharif-Faktion der Muslim-Liga. Doch die radikale religiöse Rhetorik der Islamisten erschwert ein Zusammengehen der Musharraf-Gegner. Dies erhöht die Chancen für die abtrünnige „Muslim-Liga(Q)“, die vom Regime gefördert worden war mit der Hoffnung, eine willfährige Regierungspartei im Parlament zu haben. Allerdings hat sie keine absolute Mehrheit erreicht, und bis zur Vereidigung der neuen Regierung am 1. November dürfte nun ein zähes Feilschen einsetzen.

BERNARD IMHASLY