Andere Richtung

Die Veranstaltungsreihe „Sinn Macht Nichts“ begibt sich auf die Suche nach einer „modernen Lebenskunst“

In „thematischen Performances werden „Sinndimensionen“ erforscht

Mit der Kraft, die unsere Welt im Innersten zusammenhält, verhält es sich wie mit der Erdumdrehung: immer da, so dass niemand mehr etwas merkt. Fortschritt und Entwicklung, Arbeit und Persönlichkeitsentfaltung sind Zauberwörter, die die Richtung festlegen. Dass man auch abbiegen oder umkehren könnte, ist gar nicht mehr so leicht zu denken.

Doch was, wenn Arbeit fehlt, Entwicklung stagniert und der Persönlichkeit sonst zur Entfaltung nichts bleibt? Kommen Begriffe wie „Sinn“ und „Lebenslust“ aus der Mode, weil alle statt dessen eifrig an Hartz-Konzepten feilen? So einfach ist die Sache für Stefan Uhlig vom „Haus im Park“ nicht gelagert. In Kooperation mit Vertretern verschiedener kultureller und wissenschaftlicher Institutionen hat er die Veranstaltungsreihe SINN MACHT NICHTS entwickelt, die die Frage nach einer neuen „Lebenskunst“ jenseits der Vorstellungen von Erfolg, Fortschritt oder Vollbeschäftigung stellt.

In „thematischen Performances“ werden aus der Sicht verschiedener Disziplinen „Sinndimensionen“ erforscht. Philosophen, Psychoanalytiker und KünstlerInnen gestalten gemeinsam das Programm. So wird die Kunst zur Wissenschaft und die Wissenschaft zur Kunst - auf der Suche nach einer Einheit von Denken, Kunst und Leben. Anders als in den Vorgängerprojekten, wie zum Beispiel „Rausch Sucht Lust“ 1999, soll die Durchbrechung der Spartengrenzen in jeder Veranstaltung umgesetzt werden.

Während Volker Caysa, Vorsitzender der Nietzsche-Gesellschaft, sich der Thematik von der Philosophie her nähert, sucht beispielsweise Anja Weding vom Jungen Theater nach Abbildungen der abstrakten Denkmodelle, nach einer Rückbindung an die „ Bremer Otto-Normalverbraucher“. Professor Peter Kruckenberg bringt Erfahrungen aus der langjährigen Arbeit mit Psychiatriepatienten ein: „Sinnlosigkeit macht krank“, lautet seine Diagnose, die Suche nach Sinn ende allzu häufig in unkontrolliertem Konsumverhalten, letztlich hilfloser Kompensation.

Starten wird die Reihe am 17. Oktober mit einer „Langen Nacht der Sehnsucht“ in der Unser Lieben Frauen Kirche. Philosoph Volker Caysa hält den Vortrag „Über das sich besinnende Nichts“, dazu gibt es ein ungewöhnliches Musikprogramm: Von Musik aus dem 16. Jahrhundert bis zu aktuellen Werken des Bremer Komponisten Christoph Ogiermann geht das Spektrum, das dabei benutzte Instrumentarium reicht von der Blockflöte bis zum Computer. Radikal nachgefragt wird dann bei der Veranstaltung am 12. Dezember: „Macht Arbeit noch Sinn?“, ist der Titel der Veranstaltung, die untersucht, inwieweit Glück und Unglück davon abhängen, einen Arbeitsplatz zu besitzen. Neben einem Referat des Philosophen Udo Tietz stehen eine Collage von Arbeitermusik und die szenische Bearbeitung eines Romans auf dem Programm.

Ähnlich anspruchsvoll gestalten sich die Veranstaltungen, die bis März 2003 ein- bis zweimal monatlich stattfinden. Zum Programm gehört außerdem die Ausstellung „Changing“ in der Galerie im Park, in der verschiedene KünstlerInnen nacheinander ein Werk bearbeiten, das damit nur temporär das Ihre ist.

Auf das Bremer Publikum freuen sich die VeranstalterInnen: Wacher, aufgeschlossener und reflektierter als anderswo sei das Klima an der Weser, ideal für intellektuelle Experimente und „Keimzellenbildung“. „Wir wollen auch nur Leute, die sich selbst Fragen nach Sinn stellen“, sagt Professor Kruckenberg, „die anderen können zuhause bleiben.“

Lene Wagner