Strom statt Algen

Bremer und Rostocker Wissenschaftler konkurrieren um die beste Alternative zu TBT.Mit dem Umweltgift wurde bislang bremsender Bewuchs von Schiffen ferngehalten

So ein Schiffsrumpf hat‘s schwer: Muscheln saugen sich an ihm fest. Hartnäckige Algen suchen sich ausgerechnet den Stahlbauch als Lebensraum. Aber muss sich der Rumpf von Welt gleich mit der chemischen Keule einstäuben, um maritime Flora und Fauna abzuschrecken?

Nein, finden Forscher in Bremen und Rostock, die parallel verschiedene neuartige Verfahren entwickeln, um den „fouling“ genannten Bewuchs von den Schiffen fernzuhalten. Muscheln und Algen nisten sich auf der Rumpfoberfläche ein und schaffen Unebenheiten. Die bremsen die Schiffe je nach Größe um bis zu 25 Prozent, was sich direkt in Treibstoff- oder Personalkosten niederschlägt. Mit den bisher üblichen Farben, die das Umweltgift Tributylzinn (TBT) enthalten, dürfen Reeder ihre Schiffe nach einem Beschluss der International Maritime Organisation ab 2003 aber nicht mehr bestreichen. „Das TBT wird aus der Schiffsfarbe gelöst und vergiftet dann den Meeresboden“, erklärt Wolf-Dieter Weiss, Dekan des Fachbereichs Schiffbau und Meerestechnik an der Hochschule Bremen.

Mit seinem Projekt will er Biozide überflüssig machen und die Oberfläche der Schiffsrümpfe mit Schwachstrom sauber halten. „Dazu werden zwei Pole am Metall angebracht, die ein leichtes Stromfeld um den gesamten Rumpf spannen.“ Dies sei die umweltfreundlichste Lösung, da erst gar keine Gifte enthalten seien, die gelöst werden könnten.

Auch an der Ostsee wird fleißig geforscht. Das private Institut Bioplan aus Groß-Stove bei Rostock will „Fouling“-Organismen ebenfalls mit Strom fernhalten. Der soll allerdings über den Anstrich geleitet werden und durch wechselnde pH-Werte die bremsenden Tierchen abschrecken. Der Bund greift den Forschern unter die Arme: „Etwa 40 Prozent unseres Etats trägt die Bundestiftung Umwelt“, sagt Stefan Sandrock von Bioplan.

Aus den Töpfen des Bundes durften sich auch die Biochemiker der Uni Rostock bedienen: „Aus Algen haben wir ein natürliches Herbizid gewonnen, das Bewuchs verhindert, aber keine Giftstoffe ins Wasser abgibt“, erklärt Biochemikerin Sibylle Abarzua. Für sie ließ die Stiftung 185.000 Euro springen, die allerdings aufgebraucht sind. Momentan gebe es überhaupt kein Geld, sagt Abarzua. Die Forschung werde aus Rest- und Privatmitteln betrieben.

Die Forscher an der Weser hätten auch gern so üppige Unterstützung aus der Bundeskasse. Dem Bremer Projekt fehle jedoch der Bezug zur Praxis, bemängelt die Bundesstiftung Umwelt. Grundlagenforschung könne die Stiftung nicht finanzieren. Es gibt auch fachliche Kritik an der Technik: Dabei würden die Algen durch giftige Kupferionen abgetötet, sagt ein Experte. Und die gelangten dann auch ins Meer, ebenso wie bisher das TBT. „Wir forschen daran, wie man vermeiden kann, dass sich die Kupferionen lösen“, sagt Weiss. Das sei zum Beispiel eine Frage der Stromstärke.

Bis auf weiteres können die Bremer weiter forschen, wie Uwe Probst von der Umweltbehörde verspricht: „Das Land Bremen wird das Projekt zunächst ein Jahr lang unterstützen“. Konkrete Zahlen will zwar noch keiner verraten, doch Dekan Weiss geht davon aus, dass er die Kosten mit Landes- und Hochschulmitteln decken kann.

Welches Projekt denn nun umweltfreundlicher oder wirtschaftlicher sei, mögen die Hanseaten nicht einschätzen. „Die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen“, so die Rostockerin Abarzua, „wir können die Ergebnisse noch nicht beurteilen“. So hält es auch die Industrie. Ein Ingenieur einer großen Bremer Werft erklärt, wie man dem TBT-Verbot ab 2003 begegnet: „Wir setzen TBT-freie Farben ein, bleiben aber zunächst bei der herkömmlichen Technik“. Schließlich, so der Experte, seien Algenextrakte und Stromfelder „im Moment reine Zukunftsmusik“. Auch die neuen Farben enthalten allerdings meist giftige Kupferionen.

Das Rennen könnte schließlich eine weitere TBT-Alternative machen, an deren Erforschung das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut beteiligt ist: Die Forscher versuchen, mit Nanotechnologie die Oberflächenhaut von Pilotwalen zu imitieren. Die ist extrem glatt, hat nur ganz feine Riefen in der Oberfläche, die zudem mit Gel gefüllt sind. Darauf rutscht Alge aus.

Sebastian Kretz