Knochenbruch stoppt Neonazis

Eigentlich wollte die Polizei beim Naziprotest gegen die Wehrmachtsausstellung wieder die linken Gegendemonstranten stoppen. Als sich dort ein junger Mann schwer verletzt, schaltet der Polizeipräsident um – und lässt die Nazis im Regen brüllen

aus München OLIVER HINZ

Enttäuscht geht ein Demonstrant am Samstag über den Münchner Goetheplatz. „Wenn 10.000 Menschen hier wären, dann würde die Polizei die Straße für die Neonazis nicht räumen“, sagt er resigniert. Anwesend sind in diesem Moment aber nur etwas über tausend Gegendemonstranten, um die Rechtsextremen zu blockieren. Ein paar Leute halten Fahnen der Gewerkschaften Ver.di und GEW sowie von Attac hoch. Und die Polizisten beginnen auf dem Platz Absperrgitter aufzubauen, um den Neonazis freie Bahn zu verschaffen, die gegen die neue Wehrmachtsausstellung hetzen.

Dann geschieht etwas, was die Lage auf dem Goetheplatz völlig verändern wird. Die Polizisten schieben gerade die Anhänger des „Bündnisses gegen den Nazi-Aufmarsch“ von der Fahrbahn, als sich ein Gegendemonstrant beide Beine an einem Absperrgitter einquetscht. Der junge Mann erleidet einen offenen Knochenbruch. Ein Notarztwagen fährt den Schwerverletzten bewusstlos davon.

CSUler mischt sich in Nazizug: „Ich bin Jude“

Jetzt schaltet Münchens Polizeivizepräsident und Einsatzleiter Jens Viering um. Eine Räumung der Gegendemonstranten sei mit polizeilichen Mitteln nicht möglich, lässt er mitteilen – und beginnt den anderen Zug zu stoppen, den der Neonazis. Gut hundert Meter vor dem Goetheplatz halten die Beamten rund 800 junge Rechtsextreme auf. Bereits kurz nach dem Loslaufen ist damit für die Rechtsextremen Schluss.

Fast drei Stunden lang müssen sie nun ihre Kundgebung mitten auf der Straße abhalten – abgeschirmt von der Polizei. Die Neonazis skandieren: „Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht!“.

Am Rande der noch stehenden Oktoberfestzelte hatten sich die Neonazis am Samstagmorgen im Nieselregen getroffen. Viele kamen mit Bussen aus Sachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Rechtsextremistenführer Christian Worch spricht. In die Menge mischt sich aber auch der Pressesprecher und Stadtrat der Münchner CSU, Marian Offmann. Inmitten der Nazis ruft er: „Ich bin Jude“. Und die Rede von der „jüdischen Weltverschwörung“ quittiert Offmann mit: „Lüge!“ Dann schmeißen ihn Neonazi-Ordner raus.

Zur gleichen Zeit beteiligten sich noch über 2.000 Münchner an der Gegenkundgebung auf dem Marienplatz. Bis zu 10.000 waren erwartet worden. Der Stadtrat hatte den Bürgern einstimmig empfohlen, sich an „demokratischen Protesten“ zu beteiligen. Die Polizei spricht hinterher von einem „gelungenen Einsatz“. Sie nahm 26 Personen fest, 17 aus dem linken Spektrum, 9 aus dem rechten. Ihnen werfen die Beamten unter anderem Landfriedensbruch, Körperverletzung sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung vor. Zufrieden ist auch Siegfried Benker von den Grünen im Stadtrat: „Die Bürger haben gezeigt, München ist für Neonazis feindliches Gebiet.“

Das Münchener Vorgehen war nicht der erste Fall dieser Art. In Freiburg stoppten Mitte September rund 15.000 Gegendemonstranten einen „Aufmarsch“ der NPD. Die Polizei ließ damals nur eine Kundgebung der rund 100 NPDler zu – und verfrachtete sie anschließend in einen Sonderzug. Ähnliches geschah in Postdam, wo rund 1.500 Gegendemonstranten eine Demo von 70 NPDlern verhinderten.