Hunger verboten

Sambias Regierung bedroht einen Parlamentarier,der von Hungertoten in seinem Wahlkreis berichtete

JOHANNESBURG taz ■ Sambias Regierung macht Kritiker an der Hungersnot im eigenen Land mundtot. Die letzte Maisernte deckte nur die Hälfte des Bedarfs, die Vorräte der ausländischen Hilfsorganisationen für die notleidende Bevölkerung gehen zu Ende – aber als Parlamentarier Vitalis Mooya jetzt behauptete, drei ältere Frauen seien in seinem Wahlkreis Moomba, 240 Kilometer südlich der Hauptstadt Lusaka, verhungert, hetzte Präsident Levy Mwanawasa die Polizei auf den Oppositionspolitiker. Sie drohte, ihn wegen „Alarmierung der Öffentlichkeit“ anzuklagen.

Die Regierung hat bisher immer wieder die Hungerkrise in Sambia verneint, obwohl nach UN-Schätzungen etwa 2,9 Millionen Menschen akut von Hungersnot bedroht sind. Gleichzeitig lehnte die Regierung die Lieferung von genmodifiziertem Mais – von Präsident Mwanawasa als Gift bezeichnet – durch das UN-Welternährungsprogramm WFP ab, als einziges Land im südlichen Afrika.

Das WFP hat nun nicht modifizierten Mais aus Südafrika aufgekauft, um die Notlage für weitere zwei Wochen zu lindern. Südafrikas Regierung erklärte sich bereit, 100.000 Tonnen Mais an die vom Hunger betroffenen Länder Sambia, Simbabwe, Mosambik, Malawi, Lesotho und Swaziland zu liefern und genveränderten Mais aus dem Ausland in landeseigenen Mühlen mahlen zu lassen.

Im Dezember beginnt in Sambia die übliche Hungersaison bis zur Ernte im Frühjahr. Dieses Jahr hat sich die Situation verschlimmert durch den Verfall zweier Ernten, astrononomische Preise sowie Misswirtschaft. „Wir brauchen Hilfe, denn wir können uns nicht auf das Wenige verlassen, das wir haben“, sagte Landwirtschaftsminister Mundia Sikatana. Einbrüche verzweiftelter Menschen in die Lager des WFP, in denen noch tonnenweise Genmais auf die Erlaubnis zur Verteilung warten, werden häufiger.

Der Präsident, der stets erklärt, kein Sambier werde unter seiner Obhut hungern, beschuldigt seine Gegner, mit der Hungerkrise Politik zu betreiben. Dabei zeigen die drastischen Schritte gegen Vitalis Mooya lediglich die Unterdrückung freier Meinungsäußerung. „Mwanawasas Handlung zeigt diktatorische Tendenzen“, kritisiert Ngande Mwanajiti von der Gruppe „Inter-Afrika Netzwerk für Menschenrechte“. Eine Dachorganisation von Frauengruppen rief die Regierung auf, schnellstens Nahrung zu besorgen, anstatt den im Auftrag der Wähler arbeitenden Parlamentariern zu drohen. MARTINA SCHWIKOWSKI