berliner szenen An der Resterampe

Karasek für 1 Euro

Es sind bekanntlich schlechte Zeiten für die schreibende Zunft. Jeden Tag muss man das in den Zeitungen nachlesen, wir über uns sozusagen. Des einen Leid, auch das ist bekannt, ist des anderen Freud: Die Zeiten für Schnäppchenjäger sind golden. Bücher, die Verlage nicht mehr lagern, geschweige denn verkaufen können, und das sind momentan eine Menge, stehen für billigstes Geld bei Resteverwertern wie Wohlthat herum. Das Schaufenster der Wohlthat-Filiale am Alex ziert im Moment in hohen, leuchtend roten Stapeln ein Buch, mit dem vor gerade mal vier Jahren der Rowohlt Verlag ein großes Fass aufmachen und einen Bestseller landen wollte: Hellmuth Karaseks Spiegel-Schlüsselroman „Das Magazin“.

Den kann man hier nicht für zehn Euro erwerben und auch nicht für fünf, sondern für einen einzigen, symbolischen Euro! Das merkwürdige daran: Es ist keine Taschenbuchausgabe und auch keine Buchclubausgabe des Karasek’schen Debütromans, sondern die Erstausgabe, eingeschweißt, mit altem, 45 DM ausweisendem Preisschild drauf.

Nun ist das Buch seinerzeit hinlänglich verrissen worden, wie es eben manchmal so ist. Aber 1 Euro! Wie schlecht muss ein Buch sein, dass es dafür verramscht wird? Nicht mal Hellmuth Karasek hat das verdient! Gerade wenn man bedenkt, dass Dieter Bohlen dieser Tage schon in seine vierte Hunderttausenderauflage geht, mit guten Verkaufsaussichten. Ist halt der Dieter, nicht der Hellmuth. Rowohlt muss sich 1998 wirklich total verkalkuliert und die Startauflage viel zu hoch angesetzt haben. Vielleicht aber liegt es auch an der aktuellen Krise der Verlags- und Medienbranche: Schlüsselromane über Zeitschriften gehen da nicht mal geschenkt.

GERRIT BARTELS