schuld an der klimakatastrophe: der jahrhundertarschvon JOACHIM FRISCH
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Jahrhundertgewitterfronten. Jahrhunderthagel. Jahrhunderthochwasser. Die Klimakatastrophe ist unausweichlich, und schuld daran sind Kühlschränke und Autos. Das jedenfalls wollen uns Politiker und so genannte Forscher weismachen. Meine Erfahrung mit einem der vielen Jahrhundertregenfälle der letzten Zeit sollte allen Menschen zu denken geben. Es begann mit einer Einladung. Ein Städtchen an der Elbe ließ schriftlich verbreiten, Gäste seien herzlich willkommen. Geboten werde die schönste Aussicht des Landes, ein verwunschenes Schloss, ein idyllischer Park drum herum und eine malerische Altstadt. Das hat mich überzeugt. Weil ich nicht am nächsten Jahrhundertunwetter schuld sein wollte, fuhr ich mit dem Fahrrad hin. Nach 30 Kilometern im idyllischen Park angekommen, drängte mich ein Bedürfnis, und sogleich machte ich mich auf die Suche nach einer entsprechenden Anstalt. Es war keine da. Auch kein öffentliches Lokal, nur alte Gemäuer und Ämter gab es, Letztere allesamt geschlossen.

Weil Scham- und Verantwortungsgefühl mir verboten, den Schlosspark urinierend zu verunreinigen, verließ ich die Idylle und machte mich auf in die wenig malerische Oberstadt. Nach einer knappen halben Stunde entdeckte ich das ersehnte „H“, allerdings mit dem Zusatz: „Nur für Gäste. Schlüssel im Eiscafé.“ Stepptänzelnd unterrichtete ich die Eisverkäuferin, die Stadt habe mich via Broschüre eingeladen, ich sei also Gast, stieß aber auf Unverständnis: „Wir sind nicht die Stadt.“ Ich musste drei Kugeln Eis – „Mindestverzehr im Lokal“ – bestellen, um endlich Erleichterung zu finden.

Die anschließende Radwanderung entlang des Elbdeichs war entspannt. Erst als ich gegen Abend in den Schlosspark zurückkehrte, meldete sich der durch das Speiseeis angeregte Verdauungsapparat. Das Eiscafé war bereits geschlossen, wie sämtliche anderen Lokale der Oberstadt auch, was mich erneut in eine prekäre Lage brachte. Wütend darüber, als Gast nicht mal in Würde defäkieren zu dürfen, belegte ich das elende Provinznest mit einem Fluch: Es solle doch ein gigantischer Arsch – gleichsam als Rächer des privaten Hinterteils – das unfreundliche Spießernest sofort zuscheißen.

Nur eine halbe Stunde später verdunkelte sich schlagartig der Himmel, es begann wie aus Kübeln und Tonnen zu schiffen. Nach nur einer Stunde waren bereits sämtliche freiwilligen und unfreiwilligen Feuerwehren aus der Gegend dabei, die mit brauner Brühe voll gelaufenen Keller der Unterstadt leer zu pumpen, eine weitere halbe Stunde später hatten sich die Pflasterstraßen der malerischen Altstadt in stinkende Kloaken verwandelt.

Und nun, verehrte Politiker und so genannte Forscher: Glauben Sie allen Ernstes, dass Autos und Kühlschränke die Ursache dieses Unwetters waren? Den anderen Provinznestern, die meinen, eine joviale Einladung wie „Seien Sie unser Gast“ genüge, um eine gastfreundliche Stadt zu sein, diene diese wahre Geschichte als warnendes Beispiel. Jahrhundertunwetter sind keine Seltenheit mehr in unseren Tagen.